Auf Du und Du mit der CDU: „Radhaus“untragbar
■ Bremer CDU echauffiert sich über die Ausstellung „alles Rad“im Rathaus und beruft den Koalitionsausschuß ein
Gestern morgen erreichte die Bremer Redaktionen folgende Pressemitteilung: CDU-Landeschef Bernd Neumann echauffiert sich über die derzeitige Fahrradausstellung in der Unteren Rathaushalle mit der Erkenntnis, daß „...just nach der Debatte um die Wehrmachts-ausstellung, (...) die Bremer CDU sich mehr um die Belange des Rathauses kümmern muß.“Mit der Ausstellung werde nur lauwarme Anbiederung an Minderheiten mit der Luftpumpe produziert. Eine Schautafel müsse am Eingang der Ausstellung angebracht werden. Zudem fordere die CDU Bremen zeitnah eine Automobil-Ausstellung. Dem Schreiben beigefügt: Der Entwurf einer gemeinsamen Erklärung des Koalitionsausschusses. Wir dokumentieren:
1. Die geschichtliche Forschung belegt, daß das Fahrrad vor dem Automobil erfunden worden ist. Gleichermaßen belegt die geschichtliche Forschung aber auch, daß das Fahrrad in Deutschland nicht mit der Verbreitung des Automobils Schritt halten konnte.
2. Die Mehrzahl der mobilen Deutschen bewegt sich mit dem Automobil fort. Deutsche Autofahrer fahren nicht auf Radwegen auf der falschen Straßenseite. Es ist nicht zulässig, 85 Millionen Deutsche als potentielle Fahrradfahrer abzustempeln. Ebenso unzulässig ist das Pauschalurteil, daß die Mehrzahl der 40 Millionen deutschen Autofahrer an Autounfällen beteiligt sei; der einzelne hat keine Chance, einen Autounfall zu verhindern (besonders nicht mit Fahrradfahrern, die die Einbahnstraße verkehrt herum befahren).
3. Die Ausstellung „alles Rad. Die große Fahrradausstellung in der Unteren Rathaushalle“stellt ausschließlich und bewußt Fahrräder dar. Diese sind nur ein Segment in der Bewertung der Wahl der Verkehrsmittel der Deutschen, aber für eine Gesamtbewertung müssen weitere Kriterien hinzukommen.
Für eine objektive und umfassende Bewertung des Straßenverkehrs ist die Einbettung des Fahrrads in die tatsächliche verkehrspolitische Bedeutung unverzichtbar. Werte wie „Freie Fahrt für freie Bürger“und Befolgung der Straßenverkehrsordnung haben heute mehr denn je eine besondere Bedeutung. Durch den starken Ausbau von Fahrradwegen und Einführung von Fahrradstraßen wurden normale Maßstäbe und Verhaltensnormen vielfach außer Kraft gesetzt. Ursachen und Wirkungen müssen aufgezeigt, schwierige Fragestellungen wie die faktischen Möglichkeiten des Autofahrers, sich den Fahrradfahrern zu entziehen, diskutiert werden.
Das wichtige Kapitel der Förderung des Automobilbaus, der zu einem wesentlichen Teil von Politikern von CDU, CSU und FDP (und ... SPD) getragen wurde und wird, gehört ebenfalls zur Gesamtbewertung.
4. Die Automobilindustrie steht nicht in der Tradition des Fahrradbaus. Sie ist plutokratisch legitimiert. Straßenverkehrsordnung und Erlasse des Bundesministers für Verkehr und des Bundesministers für Wirtschaft haben dies unmißverständlich geklärt.
(CDU-Sprecher Niermann rief an: „Was die uns zutrauen“)
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