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Radfahren als Droge

■ Internationale Bremer Radtourenfahrt für alle / 25 bis 175 Kilometer / 500 auf den Rädern

Viele von ihnen sind zweifellos und dazu begeistert süchtig. Ihnen ist Radfahren etwas anderes, als ohne Parkplatzsorgen und bei

Schönwetter von der Wohnung ins Büro zu kommen, mehr auch, als mit kerzengeradem Kreuz sonntagnachmittags auf einem 'Holländer‘ einmal um den Pudding und zu Kaffee und Kuchen zu fahren. Warum sie ein paarmal in der Woche losfahren, sich nach Feierabend auf der Piste oder bei Regen auf Simulatoren in irgendwelchen Garagen schinden: Sie sind verrückt nach der Berührung ihrer Leistungsgrenze, nach dem rauschhaften Gefühl, wie von selbst dahinzurasen, freigelassen zu sein, sie können, sagen sie, „vor Freude fast außer sich geraten, das ist wie Fliegen aus eigener Kraft“.

500 Frauen und Männer waren gestern auf den Rädern, um bei der „Internationalen Bremer Radtourenfahrt“ mitzumachen, organisiert vom Radclub 'RSC Rot-Gold Bremen‘. Im Angebot waren Strecken von 25 „Volksradfahren“), 43, 72, 114 und gar 175 Kilometern um Borgfeld herum. Bei den kürzeren Strecken waren deutlich mehr Frauen, mehr Tourenräder und mehr Trainingsanzüge zu sehen. Ab 72 km gab es nur noch „Rennmaschinen“ und in Monturen verpackte Männer mit und ohne Helmen.

Es war kein Kampf um die kürzeste Zeit. Nur die Entfernung war durchzustehen und an Kontrollpunkten per Stempel besiegeln zu lassen, der Rest persön

licher Ehrgeiz und Spaß an Grenzgängen. An den Kontrollpunkten gab es außer Stempeln auch Bananen, Müsli und Tee. Für die, die sich überschätzt hatten und nicht mehr weiterkonnten, stand der „Besenwagen“ des Technischen Hilfswerks parat, um FahrerInnen und Räder zur Not auch auf der Strecke einzusammeln. Wer gut drauf war, konnte sich unterwegs für die jeweils weitere Strecke entscheiden.

Bergab oder mit Rückenwind kann man 50 Kilometer und mehr erreichen: ganz schön viel. Irgendwann kurbeln die Füße tretend und in den Körbchen ziehend automatisch im Kreis. Fast in Lie

gestützhaltung balancieren die FahrerInnen mit Arm- und Schulterkraft über dem Lenker, üben, wo es geht, die hohe Kunst des Windschatten-Fahrens: Fast auf Berührung ans Hinterrad des Vordermanns aufschließen und wenig seitlich versetzt wie im Sog, wie im luftleeren Raum Kraft sparen. Wenn eine dabei aus der Spur kommt, schlenkert, mit den dünnen Reifen auf Sand gerät, kann die ganze Gruppe über Kopf gehen. Ein Fahrer: „Du segelst selbst hin, hast das Rad unter Dir an den Füßen, landest im Graben und siehst dabei wie in Zeitlupe vier oder sechs Männer angeflogen kommen.“

Gestern gab es solche Stürze nicht. Aber die Ankommenden signalisierten das ganze Spektrum zwischen gutem Körpergefühl („Weil ich mich mal wieder bewegt habe“) bei denen, die sonst nicht trainieren, und der zitternden Erschöpfung bei den Langstecklern. Die nach sechs Stunden Fahrt und 175 Kilometern in Borgfeld durch Ziel fuhren, hatten richtige weiße Salzkrusten auf dem Gesicht. Ihre Träume: „ein riesiger Teller voll Spaghetti, da fahr ich seit 30 Kilometern hinter her“, oder die Waagerechte zum Ausruhen, viel Wasser, und - bei einigen: schon wieder das Rad - um in Ruhe nach Hause zu fahren.

Susanne Paa

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