RWE will Kohlekraftwerk reinwaschen: "Energiepolitischer Irrweg"
Eine Pilotanlage im Braunkohlekraftwerk in Niederaußem soll den Abgasen bis zu 90 Prozent CO2 entziehen können. Kritiker sprechen von einer "Alibitechnik".
FREIBURG taz | Erstmals hat ein Energiekonzern ein Braunkohlekraftwerk in Deutschland mit einer Anlage zur Abscheidung des Treibhausgases Kohlendioxid nachgerüstet. RWE nahm die CO2-Rauchgaswäsche in Niederaußem bei Köln am Dienstag in Betrieb. Alle früheren Projekte zur Abtrennung der Emissionen waren Teil von Neubauten. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sprach vor Ort von einer "wegweisenden Pilotanlage", die "ein wichtiges Kapitel Technologiegeschichte" schreibe.
Nach RWE-Angaben kann die Technik dem Rauchgas bis zu 90 Prozent des Kohlendioxids entziehen. Das geschieht, indem das Gas in einem Absorber an ein Lösungsmittel gebunden wird. Dieses wird anschließend in einem sogenannten Desorber durch eine Temperaturerhöhung wieder vom CO2 befreit und steht anschließend für einen neuen Waschkreislauf zur Verfügung.
Das abgetrennte CO2 habe "eine hohe Reinheit" und stehe "nach einer Kompression für den Transport und die Speicherung im Untergrund zur Verfügung". Derzeit kann die Anlage pro Stunde aber nur einem winzigen Teil des Abgasstroms bis zu 0,3 Tonnen CO2 entnehmen. Dabei bläst der Kraftwerksblock jede Stunde 1.000 Tonnen in die Atmosphäre.
Dieses Verfahren sei "mittelfristig die einzige Nachrüstoption zur CO2-Abtrennung", heißt es von RWE-Seite. Bis Ende 2010 soll die Anlage getestet werden. Bei erfolgreichem Abschluss der Pilotphase will das Unternehmen ein größeres Demonstrationsprojekt nachschieben. Doch die Frage, wo das abgetrennte Gas eines Tages deponiert werden soll, ist nicht beantwortet. Außerdem kostet der Prozess enorme Mengen an Energie: Das Kraftwerk Niederaußem setzt 43 Prozent der in der Kohle gespeicherten Energie in Strom um. Doch dieser Wirkungsgrad werde wegen der Rauchgaswäsche um 8 bis 10 Prozentpunkte sinken, muss Firmensprecher Lothar Lambertz eingestehen.
Auch deswegen bezeichnete der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) diese sogenannte CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) als "energiepolitischen Irrweg". Zudem sei sie eine "Subventionsmaschine für Energiekonzerne", denn von den 9 Millionen Euro Baukosten in Niederaußem hat das Bundeswirtschaftsministerium 40 Prozent bezahlt. Aktivisten des BUND und des Aktionsbündnisses "Leben ohne Braunkohle" forderten vor dem Kraftwerk den Stopp dieser "Alibitechnik".
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