RBB: Parteien wollen Multikulti hören
Alle Fraktionen, außer der FDP, halten zu Radio Multikulti und machen sich für ein Moratorium stark. RBB-Intendantin wird aufgefordert, die Integrationsaufgabe ernst zu nehmen. Doch Reim will nicht.
Ein wenig muss sich Dagmar Reim, Intendantin des RBB, im Medienausschuss des Abgeordnetenhauses wie am Pranger vorgekommen sein. Alle Pfeile waren auf sie gerichtet. Sowohl die Opposition aus CDU, Grünen und FDP als auch die Vertreter der rot-roten Regierungsfraktionen schossen in ihre Richtung. Und auf den hinteren Reihen des Abgeordnetenhauses saßen jede Menge Zuhörer, die johlten.
Am Ende der Anhörung über die Finanzlage des RBB sowie die Abwicklung von Radio "Multikulti" zog eine arg zerzauste Intendantin von dannen. Denn alle Parteien, außer der FDP, sprachen sich dafür aus, dass Radio Multikulti mindestens "ein Jahr weiter auf Sendung" bleiben soll. Was Reim getrost als Misstrauensvotum zu ihrer Sparpolitik im Funkhaus auffassen darf.
Statt auf dem Aus für Radio Multikulti im Dezember 2008 zu beharren, sollte der RBB die "Möglichkeiten eines Moratoriums" in Erwägung ziehen, sagte Frank Zimmermann, SPD-Medienexperte und Mitglied im Rundfunkrat. Die kommenden Beratungen der ARD-Anstalten über neue Rundfunkgebühren und die der Ministerpräsidenten über einen Finanzausgleich für die Funkhäuser böten die Chance, die Welle zu erhalten.
Unterstützung erhielt die SPD von Gabriele Hiller (Linke). Nach ihrer Überzeugung existiere in Berlin "ein großes Engagement für den Erhalt von Multikulti". Es sei fahrlässig, dieses "Programmprofil" und "Alleinstellungsmerkmal des Senders" aufzugeben und gegen die WDR-Welle "Funkhaus Europa" auszutauschen, so Hiller. Der RBB müsse selbst "Angebote zur Integration und für Migranten machen".
Alice Ströver, grüne Kulturpolitikerin, sagte: "Multikulti muss bleiben." Mit der Abwicklung der Welle gebe der RBB "seine Aufgabe ab, an der Integration mitzuwirken". Der Sender habe dazu aber eine Verpflichtung. Ströver forderte Reim auf, nach Alternativen zu suchen.
Reim wies die Forderung nach einem Moratorium zurück. Trotz der Kürzungen der letzten Jahre habe der Sender noch immer ein Defizit von 54 Millionen Euro. Auf schnelle zusätzliche Mittel und Gebühren zu vertrauen, sei blauäugig. Die Einsparung von 3,1 Millionen durch das Multikulti-Aus sei "schmerzhaft genug", darum wolle der Sender die Mitarbeiter weiter beschäftigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind