: Quotierung und Vergangenheit
■ Die SPD-Führung schenkt ihren Partei-Frauen eine halbherzige 40%-Quotierung und dem nicht mehr existierenden SDS nach 27 Jahren die Absolution / SDS-Unvereinbarkeitsbeschluß jetzt gegenstandslos
Quotierung und Vergangenheit
Die SPD-Führung schenkt ihren Partei-Frauen eine halbherzige 40%-Quotierung und dem nicht mehr existierenden SDS nach 27 Jahren die Absolution / SDS-Unvereinbarkeitsbeschluß jetzt „gegenstandslos“
Berlin (taz) - Die Führungsgremien der SPD haben gestern und vorgestern Entscheidungen über die Zukunft und Vergangenheit der Partei gefällt. Der Vorstand hat beschlossen: Eine Quotenregelung für alle Parteiglieder soll in der Satzung verankert werden; der sogenannte Unvereinbarkeitsbeschluß, mit dem man sich im November 1961 (!) vom damaligen SDS trennte, wurde für „gegenstandslos“ erklärt.
Die Regelung „der Quote“ ist hinsichtlich der Wahlverfahren und der Zeitabschnitte äußerst kompliziert, vor allem weil eine 40prozentige (statt 50prozentige) Quote festgelegt wurde. Auslaufen soll die Regelung im Jahre 2013. Bei Mandaten soll die 40-Prozent-Marke 1994 erreicht sein. Es werden bei Wahlen je eine Frauen- und eine Männerliste aufgestellt, die je 40 Prozent der Mandate alternierend besetzen. Jeder fünfte Listenplatz wird für einen gemeinsamen Kandidaten freigehalten. Zudem wurde eine unauffällige, aber wichtige Änderung beschlossen: BundesgeschäftsführerInnen werden künftig vom Parteitag gewählt.
Die Aufhebung des Unvereinbarkeitsbeschlusses von 1961 war seit einiger Zeit in der Diskussion. Hintergrund ist das verstärkte Werben um die Intellektuellen der „Neuen Linken“, vor allem seit Auftreten der Grünen von der Glotzschen Erneuerungsfraktion propagiert. Der SDS wurde 1961 auf der Basis eines Dossiers Herbert Wehners, das die angebliche kommunistische Unterwanderung nachwies, ausgeschlossen. Dieser Beschluß vertiefte den Widerspruch zwischen kritischer Intelligenz und Partei, beschleunigte die Aneignung und Erneuerung des Marxismus außerhalb der SPD und förderte negativ die Entstehung der 68er Generation.
Strittig war jetzt im Parteivorstand die Frage, ob jener Beschluß „aufgehoben“ (Entwurf von Glotz)oder für „gegenstandslos“ (Entwurf von Peter von Oertzen) erklärt werden soll. Eine eindeutige Schuldzuweisung an den kranken 80jährigen Wehner sollte allerdings vermieden werden. Darum gab es ein einstimmiges Votum für „gegenstandslos“. Glotz begründet, warum der Beschluß historisch überholt sei. Politische Konzepte (Beispiel: Hochschulpolitik) des SDS seien später von der SPD übernommen worden; die Austreibung der „klassischen Theoriestücke“ der Arbeiterbewegung habe zu einem „Mangel an programmatischer Offenheit“ geführt; der „kontroversen Debatte“ würde heutzutage der Vorzug gegeben.
Aus der Erklärung von Peter von Oertzen wurde übernommen, daß der „Preis zu hoch“ gewesen sei für die Einheit der Partei.Klaus Hartung
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