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Quotenopfer Mann

■ Zum ersten Mal bekommt eine Frau im Kampf um eine Stelle recht. Leiter eines Kulturzentrums muß seine Stelle räumen

Berlin (taz) – In Berlin ist am Mittwoch ein Urteil gefällt worden, das sich dem Quotenurteil des Europäischen Gerichtshofes vom letzten Jahr entgegenstellt. Zum ersten Mal wurde dabei einer Frau vor dem Arbeitsgericht Berlin rechtgegeben, die ihren Anspruch auf eine Stelle gegenüber einem Mann eingeklagt hatte. Die Beamtin hatte sich im Juni 1994 auf eine ausgeschriebene Stelle als Verwaltungsleiterin in einem Berliner Kulturzentrum beworben. Das zuständige Bezirksamt schickte ihr ein Jahr später die Absage mit der Begründung, der akzeptierte männliche Bewerber sei besser qualifiziert. Im Gegensatz zur Klägerin hatte dieser Mann jedoch in seiner vorherigen Position eine wesentlich niedrigere Vergütungsgruppe, als in der ausgeschriebenen Stelle avisiert wurde. Daß der Mann dennoch besser qualifiziert sei, beeindruckte die Vorsitzende Richterin am Arbeitsgericht, Linnert-Abelmann, jedoch beim Urteilsspruch am dritten Verhandlungstag nicht. Sie gab der Klage der Beamtin statt.

„Gerade vor dem Hintergrund des Urteils vom Europäischen Gerichtshof ist der Ausgang der Verhandlung ein großer Erfolg“, erklärte Gisela Ludewig, Fachanwältin für Arbeitsrecht, die die Klägerin vertreten hat. Im Oktober 1995 hatten die Europarichter die gesetzlichen Vorschriften zur Quotierung in Deutschland für unrechtmäßig erklärt, da mit ihr die „Diskriminierung der Männer aufgrund des Geschlechts“ einherginge. Anlaß für das Urteil war eine Stellenbesetzung im Bremer Gartenbauamt, bei der sich eine Frau gegen ihren männlichen Mitbewerber durchgesetzt hatte. Der Personalrat hatte gegen die ursprünglich geplante Besetzung der Stelle durch den Mann erfolgreich Einspruch eingelegt. Daraufhin war der Mann vor deutschen Gericht in allen Instanzen erfolglos geblieben. Erst der Europäische Gerichtshof gab ihm im letzten Jahr recht. Die Entscheidung löste bundesweit Proteste aus.

Ludewigs Mandantin ist auf Grundlage des Berliner Landesgleichstellungsgesetzes rechtgegeben worden, nach dem Frauen bei gleicher Qualifikation Männern bevorzugt werden sollen. Dies bezieht sich besonders auf Berufszweige, in denen Frauen unterrepräsentiert sind.

Interessant ist jetzt, wie das zuständige Bezirksamt mit dem Urteilsspruch umgehen wird. Der männliche Bewerber ist schon im August letzten Jahres eingestellt worden. „Damit hat sich das Bezirksamt böse in die Klemme manövriert, aus lauter Arroganz“, meint die Rechtsanwältin. Der Beamte könnte nun sogar auf Schadenersatz klagen, denn räumen müsse er seine Stelle in jedem Fall. Silke Stuck

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