Querung übern Fehmarnbelt: Teuer nach Dänemark - oder sauber
FEHMARNBELT Am Runden Tisch zum Tunnelbau in der Ostsee darf nun auch die Fährrederei Scandlines sitzen. Deren 1.200 Jobs würde eine feste Streckenverbindung gefährden. Hohe Zusatzkosten für veraltete Sundbrücke.
HAMBURG taz | Bernd Friedrichs ist ein Freund klarer Worte: „Wir bleiben bei unserem Nein zur festen Beltquerung“, sagt der Betriebsratsvorsitzende der deutsch-dänischen Reederei Scandlines. Der Fährbetrieb zwischen Puttgarden auf der schleswig-holsteinischen Ostseeinsel Fehmarn und dem dänischen Rødby „darf nicht ausgeblutet werden“. Mehr als 1.000 Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Fehmarnbelts hingen an der „schwimmenden Brücke“, so Friedrichs. Und für die einsetzen darf er sich nun auch im „Dialogforum Feste Fehmarnbeltquerung“, das sich am 17. Januar in Oldenburg/Holstein trifft.
Friedrichs wurde jetzt als ständiger Teilnehmer an diesem Runden Tisch akzeptiert, an dem die Interessengruppen der Region über den milliardenteuren Tunnel in der Ostsee diskutieren. So weist es die vertrauliche „Kommentierte Tagesordnung“ für die Sitzung in der nächsten Woche aus, welche der taz vorliegt. „Dann mal an die Arbeit“, kommentierte der urlaubende Friedrichs, als er am Freitag durch die taz von seiner Berufung erfuhr.
Bei dieser Arbeit wird dem Betriebsrat auch der deutsche Vorstand der Reederei zur Seite stehen: Geschäftsführer Gernot Tesch darf nächste Woche in einem einstündigen Vortrag darlegen, welche verkehrliche und wirtschaftliche Bedeutung Scandlines für die Region Ostholstein hat. Eine feste Fehmarnbelt-Querung würde „das Unternehmen und sein Geschäftsmodell entscheidend beeinträchtigen“, heißt es im Geschäftsbericht der Reederei.
Die Reederei Scandlines will den Fährverkehr auf dem Fehmarnbelt künftig mit emissionsfreien Schiffen betreiben.
Die Idee: Mit überschüssigem Windstrom aus Offshore-Parks der Region wird Wasserstoff für Brennstoffzellen erzeugt. Damit können die Fähren zwischen Puttgarden und Rødby emissionsfrei pendeln.
Die Kosten: Scandlines veranschlagt Investionen von 500 Millionen Euro für vier Fähren.
Der Zeitplan: Ausschreibung der Fährneubauten 2014, Inbetriebnahme 2017.
Der Anfang: Eines der derzeit betriebenen vier Fährschiffe, die "Prinsesse Benedikte", wurde zum Hybrid-Schiff umgerüstet. Überschüssige Motorleistung wird in Strom ungewandelt, in Akkus an Bord gespeichert und bei Bedarf wieder abgegeben. Scandlines erwartet eine Energieeinsparung von 15 bis 18 Prozent.
Als erste Gegenmaßnahme setzt das Unternehmen deshalb jetzt auf umweltfreundliche Fähren auf dem Fehmarnbelt. „Kein Schwefel, kein Kohlendioxid, kein Dioxin – das wäre eine sexy Alternative zum Tunnel“, sagt der dänische Scandlines-Aufsichtsratschef Søren Poulsgaard Jensen. Investitionen von etwa einer halben Milliarde Euro wolle man aber nur aufbringen, wenn sie „quasi die politische Garantie hätte, dass der Bau der Querung sich um weitere Jahre verzögert“.
Der Bau eines 19 Kilometer langen Fehmarnbelt-Tunnels mit einer vierspurigen Autobahn und zwei Bahngleisen war für 2018 avisiert worden, inzwischen ist von 2022 die Rede. Die Kosten von mindestens 5,5 Milliarden Euro will Dänemark aufbringen und über 39 Jahre aus Mauteinnahmen amortisieren. Skeptiker gehen von weiteren Verzögerungen und einer Verdoppelung der Kosten aus.
Deutschland müsste lediglich Straßen und Bahnstrecken zwischen Puttgarden und Lübeck bis 2025 ausbauen. Dafür wurden 800 Millionen Euro veranschlagt, der Bundesrechnungshof hingegen spricht bereits von der doppelten Summe. Darin nicht eingerechnet: die Kosten für den Ersatz der 49 Jahre alten Fehmarnsund-Brücke zwischen der Insel und dem schleswig-holsteinischen Festland.
Nach neuen Untersuchungen der Deutschen Bahn seien „gegenüber der Ursprungsstatik aus dem Jahre 1963 heute höhere Lastansätze zu berücksichtigen“, räumt der Hamburger Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis ein. Es zeichne sich ab, „dass die Tragfähigkeit des vorhandenen Bauwerks den prognostizierten erhöhten Belastungen durch den Straßen- und Schienenverkehr nach Eröffnung der Festen Fehmarnbelt-Querung nicht gewachsen sein wird“.
Für eine neue Brücke oder einen Tunnel aber kämen mindestens 300 Millionen Euro zusätzlich auf Bahn, Bund und das Land Schleswig-Holstein zu. Deshalb ist auch die Sundbrücke Thema in Oldenburg: Die Bahn hat ihre Gutachten bisher nur dem Bundesverkehrsministerium zugänglich gemacht. Das Dialogforum verlangt nun von dem Unternehmen, „relevante Erkenntnisse von sich aus einzubringen“.
Die örtlichen Initiativen gegen die Fehmarnbelt-Querung vermuten „Täuschung“. Am 11. Februar wird das Raumordnungsverfahren über den Verlauf der Bahntrassen eröffnet. Diese wolle die Bahn nicht mit zusätzlichen Kosten für die Sundbrücke belasten. Meyer-Lovis weist das zurück. Gespräche mit Bund und Land „über die nächsten Schritte“ seien jetzt angelaufen.
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