■ Querspalte: Niemand nimmt's ernster
Eigentlich wollten wir schweigen. Geht es doch immerhin um eine ernste Sache, nämlich den Jahresbericht eines der bekanntesten Unternehmen der Welt, der McDonald's Incorporated, genauer den des deutschen Zweiges für 1997. Aber sollen wir den Mantel des Schweigens ausbreiten, wenn doch offensichtlich die Firma von Außerirdischen übernommen wurde? Sie meinen, das ist die übliche taz-Miesepetrigkeit gegen die herrlichen Fleischflatschen und die unnachahmlichen Plastikpommes? Lesen Sie selbst. „Wir nehmen das Hamburger-Business ernster als alle anderen“, wird auf der Titelseite Firmengründer Ray Kroc zitiert. So ein Satz kann vielleicht noch ein Irdischer erfinden, aber weiter hinten im Jahreswerk wird die Philosophie dann derart hochstehend, daß der Autor nur aus hochstehenden Andromeda-Kulturen stammen kann. Jeweils zweiseitig in überdimensionalen Silberlettern gedruckt sind die Lebensweisheiten des großen Kroc. „Der Preis für totale Sicherheit ist totale Langeweile“ – für das moderne Leben hilfreicher als alle Werke von Immanuel Kant zusammengenommen. „Was man gleich richtig macht, muß man nur einmal machen“ gilt wohl eher für den Toilettengang nach einem Restaurantbesuch.
Wie die Außerirdischen aussehen, ist auf bunten Photos abgebildet. Die männlichen Exemplare tragen schwarze Anzüge, weiße Hemden und rote Krawatten und sind größer als ihre weiblichen Pendants. Dafür kriegen die Weibchen grüne Schiffchen auf den Kopf, passend zu den grünen Blusen. Und dort wo Menschen ihre Augen haben, haben die McDonaldianer blau leuchtende Glühbirnen. Doch wir niedere Erdlinge brauchen nicht zu verzweifeln – wir können am höheren Wissen teilhaben, vespricht die Jahresbibel auf Seite 25. Vergangenes Jahr gingen 3.500 Anfragen in der Firmenzentrale ein. 14 Auserwählte wurden in den Kandidatenstatus des „Franchisenehmers aufgenommen. Der Preis: mindestens 140.000 Mark und jeweils rund 2.500 Stunden Freizeit für die Ausbildung. Danach wissen wir dann mit Kroc: „Kein Einzelner von uns ist so gut wie wir alle zusammen.“ Seite 32/33. Boah. Reiner Metzger
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