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■ QuerspalteKnoblauch im Tunnel

Franzosen sind doof. In England nennt man sie „frogs“, Frösche, weil sie die glitschigen Tiere gerne verspeisen. Man war ganz froh, daß der Ärmelkanal für eine gewisse Distanz sorgte. Aufgrund des Eurotunnels sind die Franzosen jetzt aber unangenehm dicht auf den Pelz gerückt – und mit ihnen nicht nur die merkwürdigen Eßgewohnheiten. Tierärzte warnen, daß es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis sich Tollwut, Maul- und Klauenseuche in Großbritannien breitmachen und den englischen Tierbestand dahinraffen. Jedenfalls die Viecher, die den Rinderwahnsinn überlebt haben.

Gefährlicher als die Rinderseuche ist der Privatisierungswahnsinn. Die Hiobsbotschaft: Die französische Hafenstadt Calais will Dover kaufen. Oder wenigstens den Hafen, der privatisiert wird, damit die Tories ihre wahltaktische Steuersenkung bezahlen können. Ausgerechnet Calais, das von 1347 bis 1558 zu England gehörte. Man werde den Namen Calais auf ihrem Herzen eingraviert finden, stöhnte Königin Maria Tudor damals, als sie die Stadt an Frankreich verlor. Auch George Hood hat Calais im Herzen eingraviert. Er ist Bürgermeister von Dover und hat die Queen-Mutter zu Hilfe gerufen. Schließlich ist sie die ehrenamtliche Hafenwächterin. Und auch Dame Vera Lynn, die englische Zarah Leander, singt wieder für Dover – wie im Zweiten Weltkrieg. Das wäre so, meint sie, als wenn die Deutschen die Laterne von Lili Marleen verkaufen würden. Noch schlimmer.

Die Labour Party und die Eurogegner bei den Tories sind sich ausnahmsweise einig: Die einen verteilen Flugblätter mit der Überschrift: „Napolean konnte uns nicht einnehmen!“ (Labour kann Napoleon nicht buchstabieren?) Die Tories befürchten, daß Europa plane, England Stück für Stück aufzukaufen. Schon glauben sie, Knoblauchgeruch am Tunnelausgang wahrzunehmen. Als nächstes wird in Dover Rechtsverkehr eingeführt. Wer mit dem Schiff einreist, so ihr Alptraum, wird dann ein Schild vorfinden: „Willkommen in Frankreich! Nach England immer geradeaus.“ Ralf Sotscheck

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