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■ QuerspalteDie Zeit in der Stechuhr

Die gute Claudia Nolte (Familienministerin und CDU, CDU, CDU) hat eine Untersuchung über das Freizeitverhalten der Menschen machen lassen. Das Statistische Bundesamt stellte sich der uns alle bewegenden Frage „Wo bleibt die Zeit?“ und hat herausgefunden, daß die Menschen „mit zehn Stunden die meiste Zeit des Tages mit Essen, Schlafen und Körperpflege verbringen“. Mit fünf Stunden täglich leisten Frauen doppelt soviel unbezahlte Arbeitsstunden wie Männer. 76 Prozent der unbezahlten Arbeit entfallen auf den Haushalt: Tisch decken, Spülen, Alten-, Kinder-, Pflanzen- und Tierpflege, Einkaufen sowie Behördengänge. Frauen verbringen täglich 40 Minuten mit der Wäschepflege; Männer nur drei Minuten. Männer sind meist „in weniger bedeutenden Bereichen“ aktiv: „handwerkliche Tätigkeiten, Ehrenämter in Vereinen oder Parteien“. So, so. Unbezahlte Trauer-, Liebes- und Redearbeit findet in der Untersuchung keine Erwähnung. Singles, die noch viel mehr Zeit fürs Essen, für Selbstgespräche, Lese-, Musikhör- und Fersehguckarbeit aufwenden müssen, werden nicht berücksichtigt. Schade!

77 Milliarden Stunden unbezahlter Arbeit werden in Westdeutschland geleistet. Zwei Drittel entfallen auf Frauen. Besonders benachteiligt: Leute mit großen Wohnungen, vielen Haustieren und Autos. Privilegiert dagegen: Obdachlose. Wenn man alles staatlicherseits bezahlen wollte, ginge das gar nicht, fand das Statistische Bundesamt heraus. Aha.

Männer und Frauen teilen sich die Hausarbeit also ungerecht auf. Gemein. Sollen sich doch trennen! Sonst: Alles ziemlich widerwärtig. Horrorvorstellung, wenn alles vom blöden Staat bezahlt werden würde. Hausfrauen als Staatsdiener. Überall Stechuhren. Überstunden- und Nachtarbeitszuschläge. Umgedreht Utopie auch: Alles wird zur bezahlten und voll entfremdeten Arbeit. Das ist das Privileg der schreibenden Bevölkerung und soll's auch bleiben! Außerdem: Wieso soll Saubermachen gesellschaftlich wichtiger sein, als Zeitunglesen oder in der Kneipe rumhängen?! Detlef Kuhlbrodt

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