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■ QuerspalteJe besser, desto Schlächter

Vor einiger Zeit lümmelte sich eine gemeine kleine Diskussion ins Feuilleton: Müsse Taslima Nasrin als Verfolgte denn auch zwingend eine gute Dichterin sein, oder sollte sie statt dessen nicht lieber versuchen, sich mit politisch brisanten Klöppelarbeiten den Unmut durchgeknallter Glaubenskrieger zu verdienen?

Jedenfalls war diese ruchlose Debatte von dem überschweren Kaliber, das hierzulande immer mal wieder in Anschlag gebracht werden kann. So auch dieser Tage, als die Münchener Literaturzeitschrift Torso frühe Poesie des aus vielen Fernsehsendungen bekannten serbischen Verfolgers Radovan Karadžić erstmals in deutscher Übersetzung vorstellte.

Die Süddeutsche Zeitung faltete sich gepeinigt zu einem Papierschiffchen: „Soll man die Gedichte eines ,Schlächters‘ drucken? Kann einer, der weit mehr war und ist als Schreibtischtäter, Dichter sein? Wenn ja, nur ein schlechter? Was hieße es, wenn er gar ein guter wäre?“

Hier nun die Antworten auf deine klugen Fragen, liebe Süddeutsche Zeitung.

Zu Nummer eins: Na was denn sonst als drucken? Vors Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zerren und kielholen vielleicht?

Zu Frage zwei: Wenn er wirklich weit mehr ist, dann ja.

Drittens: Wenn nein, nur ein guter.

Und schließlich: Wenn Radovan Karadžić ein guter Dichter wäre, dann hieße dies selbstverständlich, daß alle guten Dichter serbische Verfolger sind. Am Ende auch Taslima Nasrin, die wiederum ebenso gut wie verfolgt ist.

Es heißt aber auch, daß Zeilen wie: „Pflanze eine Rose sie soll weiß sein / Und Mitternacht heißen / In diesem Weiß wird ein Stück von dir sein / Etwas von deinem Fleisch etwas von deinen Gedanken / In ihr sind die Dinge so wie du sie willst“ sensationelle Reime darstellen.

Es hieße weiterhin, daß dein SZ-Berichterstatter, der hierin „hinter der sanften Hülle den Unmenschen“ entdeckt haben will, ganz und gar keinen Urlaub nötig hat. Ja, meiner Treu, genau das hieße es. André Mielke

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