■ Querspalte: Eishockey im Bundestag
Als eine „unglaubliche Alkoholikerversammlung“ offenbarte schon 1988 der grüne Genußmensch Josef („Joschka“) Fischer den Bundestag. Schön sind sie ja tatsächlich nicht, diese unter der Sklaverei des Volksdienstes lallenden Vertreter oberhalb der Fünf-Promille-Grenze. Jahrelang mußten sie mit Lobbyisten saufen und Trinksprüche tauschen, um zu Amt und Würden aufzusteigen. Und in der entscheidenden Debatte kommt ihnen kaum mehr als „Eishockey“ – so im Sinne von „alles okay“ – über ihre feuchten Lippen. Manch nüchterne, manche behaupten humorlose, Parlamentarier sieht man dann sich im Plenum angewidert abwenden.
Solcherlei Dramen wollen Christdemokraten in Bonn jetzt radikal unterbinden und Menschen unter 21 Jahren das Trinken einfach verbieten. CDU-Drogenexperte Hüppe hob nun an: „Der Verkauf von Alkohol an Jugendliche muß strafrechtlich verfolgt werden.“ König Alkohol fordert die Erhöhung des Volljährigkeitsalters! Trau keinem unter 21!
Schön, das. Dann wird die Junge Union beweisen dürfen, daß sie auch ohne Alkohol unfreiwillig komisch sein kann. Jungen Kaplanen, die ihre Meßdiener am Wein nippen lassen, wird endlich das Handwerk gelegt werden müssen.
Der Titel „Alkoholikerversammlung“ blieb damals übrigens im Sinne einer Großen Trinkerkoalition von allen Bonner Fraktionssprechern unwidersprochen. Ein Suchtexperte taxierte damals die Prozente alkoholkranker Abgeordneter auf 20, während durchschnittlich fünf bis sieben Prozent der von ihnen vertretenen Bevölkerung an der Flasche hängen. Seitdem ist das Thema Sucht in der deutschen Politikelite undebattiert verdunstet und die Bestallung eines parlamentarischen Suchtbeauftragten in weiter Ferne.
Nun scheint das Faß Gesetzesverschärfung aufgemacht. Denn – Vorbild hin, Vorbild her – wird Jugendlichen das Trinken erst mal strikt verboten, kann man sich an jungen Abstinenzlern ein Beispiel nehmen. Zumal denen der Bundesgerichtshof nun auch noch den Haschkonsum erschwert hat. Julia Kossmann
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