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■ QuerspalteMißwahl im Internet

Auch das noch! Da hielt ich nun die Wahl zur „Miß Wet-T-Shirt“ für die peinlichste Idee, die besoffenen Männerhirnen entspringen kann, aber was, bitte sehr, muß ich mir nun unter einer „Miß Internet“ vorstellen?

Zuletzt erschütterte so manche Frau- Größe-vierundvierzig-und-darüber die Meldung, daß die „amtierende“ Miß Universum zwölf Kilo in zwei Wochen abzu„specken“ hätte, wolle sie nicht auf ihr äußerst lukratives Preisgeld verzichten müssen. Miß Anorexia ließ sich kurzerhand in eine Diätklinik einweisen und hinterließ den staunenden „Zeuginnen der Problemzonen“ ein triumphierendes „ätsch, ICH kann's mir leisten!“ – oder ähnliches.

Die Deutsche Miriam Ruppert ist nun zur „Miß Internet 1996“ „gekürt“ worden! Eine Computer-Crackin? Eine Super-Hackerin? Oder vielleicht eine Erfindung? Eine virtuelle Gestalt?

Vermutlich aber ist die neue Trägerin dieses (neuen?) Titels ein weiteres Klon vom ewigen „magersüchtigen Busenwunder“, dieses Mal in der Version einer Wichsvorlage für kontaktunfähige Giga- Byte-Fetischisten.

Ich muß zugeben: Ich weiß nicht, was „Miß Internet“ auszeichnet.

Eine Kanadierin, eine Amerikanerin oder eine Russin, okay, da denkt man(n) doch sofort an ernsthafte Beschäftigungen, an Raumfahrerinnen, an Physikerinnen, an Soziologinnen, die schon allein durch ihre intellektuelle Überlegenheit lesbisch sein müssen und ganz andere Titel tragen.

Mißtrauisch werde ich aber sofort bei absurden deutschen „Miß“-Wahlveranstaltungen. Denn das Miß-Trauma sitzt tief; längs und quer durch Deutschland, bleibt doch das Elend allgegenwärtig. Ob Schützenfest im Emsland oder „o'gzapft is“ in München, was zählt in der kleinen Welt zwischen „Joannishöferä im Norden und der „Moß“ im Süden der Grabscherrepublik ist doch Titten, Titten, Titten, und bloß nicht dran denken, daß es auch Psychiaterinnen gibt.

Suzanne Barkawitz

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