■ Querspalte: Betteln ohne Erlaubnis
Wenn der Abend mal spät war, wurde Hans-Joachim Widmann von seinen Freunden, den Leistungsträgern unseres schönen Landes, auch schon mal einfach nur Hans-Joachim genannt. Die FDP und grade ihr Hamburger Landesverband, dem der Liberale so vorstand, war bekannt für seine Menschlichkeit. Menschlichkeit war der Weg, Menschlichkeit das Ziel. „Menschlichkeit – unser Motto“ pflegte Widmann mittwochs immer zu sagen, wenn er sich mit dem Humankapital seiner Partei traf. Eigentlich zählte er jedoch am liebsten Geld. „Wie schön ihr seid, wie interessant gestaltet und auch wohlriechend“, murmelte er, während er die kühlen Scheine kosend an seine heißen Wangen hielt. Dann blickte Widmann auf die nächtliche Elbe und träumte. Von unverbraucht-leistungsbereiten, samtweichen, tabulosen, ja fast noch kindlichen Scheinen.
Wenn er nicht grad die Sache der Partei vertrat, war Hans-Joachim Widmann Rechtsanwalt. Und Geschäftsführer des Verbandes Hamburger Bestatter. Vor allem: Leistungsträger. Schönes Geld jeden Tag. Gelungenes Leben, ein Leben lang.
Allein die schwulen, drogensüchtigen, stinkenden Leistungsverweigerer, denen er letzte Woche sogar in den Elbpassagen begegnete, störten ihn. Subjekte verschmutzten den schönen Boden vor den Geschäften. Ein dreckiger Hungerleider hielt ihm die Tür auf. Asoziales Gesindel bat um Geld. Überall. „Man wird dauernd von ihnen belästigt, kann sich als normaler Bürger kaum mehr frei bewegen.“ Leistungsverweigernd scheffelt das asoziale Gesindel schönes Geld. Wo war die Polizei, die das Pack ins Arbeitslager brachte? Am nächsten Tag forderte Widmann in der Leipziger Volkszeitung, „daß die Polizei die Personalien dieser Leute feststellt und daß ihnen umgehend ein Steuerbescheid über ihre hochgerechneten Einkünfte zugestellt wird“. Millionen entgehen so dem Staat der Leistungsträger. Denn Bettler betreiben „ein einträgliches Gewerbe ohne Gewerbeerlaubnis. Wenn sie Steuern zahlen müßten, wäre das Problem schnell gelöst.“ Detlef Kuhlbrodt
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