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■ QuerspalteLaßt 1.000 Eisblumen blühen

Himmel blau, Sonne scheint, Luft ist prima, und dauernd schneit es. Im Schnee verwandelte sich die Stadt zur Natur. Wie still es doch draußen ist, fast geräuschlos rutschen die Autos gegeneinander. Nur Fußball ist grad nicht.

Schön ist der „Jahrhundertwinter“ und wird womöglich, wie's im Fernsehen hieß, der kälteste der 90er Jahre gewesen sein. Wenn wir nur fest daran glauben. Allerdings drohen auch vielerlei Gefahren. Die Bundesbürger nehmen den Dauerfrost auf die „leichte Schulter“, warnt etwa der Traunsteiner Dermatologe Robert Pleier. Sie gehen in Hausschuhen auf den Balkon rauchen, fallen beim Extremskifahren in Gletscherspalten, ziehen Schneekettchen mit nackten Händen auf den Reifen, küssen sich ungeschützt in verschneiten Landschaften oder tragen Kleinkinder stundenlang auf dem Rücken durch die Kälte. Erfrierungen mit Blasenbildung an Nase, Wangen, Füßen, Händen, Ohren sind die Folge. Besonders tückisch: Das „Schockgefrosten“ ist oft kaum spürbar, das Auftauen dagegen sehr. Oft müssen Beine amputiert werden. Sehr gefährdet auch Exhibitionisten oder „Gliedvorzeiger“, wie es im Beamtenjargon heißt.

Auch treten viele bei lächerlichen minus 20 Grad leicht bekleidet ins Freie und bedenken dabei nicht, daß bei gleichzeitigem Wind von 50 Kilometern in der Stunde auf der Haut eine Kälte von minus 50 Grad entstehen kann. Meteorologen sprechen dann von „Windchill“, Boulevardblätter von der subjektiven Temperatur. Kritiker des individualisierten Wetters monieren: Blödsinn.

Vielleicht sollte man lieber zu Hause bleiben, fernsehen, Bücher oder Eisblümchen gucken. Man könnte auch viele Leute einladen und sie ans Fenster stellen, damit es nicht so zieht, und mehrfarbige Pulswärmer stricken, was auch sehr meditativ ist, und als Mann lange Unterhosen anziehen und heißes Bier mit Honig trinken. Was wiederum an den nächsten Jahrhundertsommer denken läßt. Denn lange Unterhosen sind das winterlich versteckte Peinlichkeitspendant kurzer Hosen im Sommer. Detlef Kuhlbrodt

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