■ Querspalte: Alles wieder in Ordnung
Als „unerwartet großen Erfolg“ wertet das Braunschweiger „Forum Mann“ den Start des „Männertelefons“ vergangene Woche. Von Braunschweig hört man sonst wenig, und man könnte meinen, dort hätten sie jetzt das Handy eingeführt und sich zur Braunschweiger-Handy-Benutzer-Selbsterfahrungsgruppe (BHBS) zusammengetan. Aber so ist es nicht.
„Die Einwohner dieser Stadt nehmen außerhalb ihrer Schuhe und Anzüge nichts wahr“, behauptet der Autor Michael Schulter über die Braunschweiger. Deshalb fragt man sich, warum sie überhaupt telefonieren. Was hätten sie schon mitzuteilen? Aber darum geht es. Da unser Land fest im Griff arbeitswütiger Therapeuten ist, soll nun, wahrscheinlich als letzter, der Braunschweiger Mann Auskunft geben über das Innenleben seines Anzugs und seiner Schuhe. Des Cheftherapeuten ist natürlich „Seelsorger“, und man fragt sich, worum er sich bei Männern da groß sorgen will. Die leben doch bekanntlich mit einem gedörrten Salzhering an der Stelle, wo bei Menschen die Seele sitzt. Wenn über der Prärie die Sonne untergeht, quetschen sie die letzten salzigen Tropfen hervor und flüstern: „Ach, Elsemarie, warum vergaß ich nur deinen Geburtstag? Hast du überhaupt einen?“ Solche neuen Gedanken notieren sie in ihr Filofax, zücken ihr Handy und rufen das Männertelefon an.
„Ah, ich wollte mal fragen, ob Elsemarie Geburtstag hat?“ – „Hast du sie geschlagen? Kannst du nicht über deine Schwächen sprechen?“ – „Sie hat mich rausgeschmissen, und ich habe Schuldgefühle. Wenn sie aber gar nicht Geburtstag hat, wäre es ja ihre Schuld.“ – „Soll ich dich über deine Rechte und Möglichkeiten informieren?“
Sieben Braunschweiger haben das neue Angebot in der ersten Woche genutzt. Der „Goldene Anker“ hatte nämlich wegen Renovierung geschlossen, so daß sieben Stammtische ausfielen und sieben notorische Quengler sich keinen Rat mehr wußten. Siebenmal hatte Elsemarie die Schuld, und siebenmal war die Welt wieder in Ordnung. Susanne Fischer
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