■ Querspalte: Erst kommt das Fischen...
Angler sind ein flexibles Volk: Wenn die Fische mal knapp sind, dann schießen sie eben – auf Kormorane. Die ziehen zwar im Frühjahr weiter, bis dahin aber futtern sie Fische. Und sind damit der große Spielverderber für die Regenwurmaufspießer. Nicht nur, weil die Kormorane die glibschigen Schuppentiere viel eleganter aus den Tümpeln ziehen, sondern dann auch noch genau dieselben, die die Rutenfuchtler eigentlich selbst fangen wollten – um abends einen Grund zum Saufen zu haben.
Das alles wäre noch keine Zeile wert, doch nun kommt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ins Spiel. Und damit die Moral. Der ist natürlich – und leider zu Recht – völlig erbost über dieses unsinnige Morden, das leider Tradition hat, weswegen er – der Kormoran – auch schon fast ausgestorben war. So bemüht der BUND nun gegen alte Gewohnheiten neue wissenschaftliche Erkenntnisse: Der Kormoran sei nämlich gar nicht schuld am Fischrückgang, „im Gegenteil: Eine Untersuchung in Bayern hat ergeben, daß dort, wo viele Kormorane überwintern, auch viele Fische zu finden sind“. Bemerkenswert.
Das ist etwa so als würde man sagen, alte Damen mit Hüten essen kaum Kuchen, „im Gegenteil: Denn in Cafes, wo sich nachmittags besonders viele Omas aufhalten, sind auch viele Tortenstücke zu finden.“ Kormorane fressen nun mal Fisch – und viele Kormorane viel Fisch. Ganz ohne schlechtes Gewissen, darauf können die Forscher und Schützer noch so gut achten: So ist er, der Kormoran.
Und so ist er, der Umweltschützer, weil er nämlich ständig selbst ein schlechtes Gewissen hat, kann er nicht einfach nur für Kormorane sein, sondern muß sie gleich noch heiligsprechen.
Doch das Objekt seiner Anbetung lockt solch Ehre nicht. Ungerührt flattern die Kormorane zum nächsten Teich, wenn der alte leergefischt ist. Sie sind damit – auch wenn‘s den Vogelfans nicht paßt – Anglern viel ähnlicher als den Ökos. Man sollte sie vorm Aussterben schützen. Matthias Urbach
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