piwik no script img

■ QuerspalteVatikan - furchtlos in die Fremde

Man kann dem katholischen Klerus nun wirklich alles vorwerfen – aber mutig ist er allemal. Weder scheut sich sein oberster Chef, der Papst, in Polen wider die weltliche Verfassung zu agitieren, noch gibt er sich bedenkenträgerisch, wo es um Fragen von Sitte & Anstand geht. Nein, auf den Vatikan ist Verlaß, Zeitgeist war seine Sache nie.

Ob es um Empfängnisverhütung, die gleichgeschlechtliche Liebe, den Sex oder die Sünde ging: Katholiken wissen, daß alle diese Dinge von Übel sind. Was auch für den Kommunismus galt, aber der ist ja mittlerweile so tot wie sonst fast gar nichts auf der Welt. Der fällt also als Feind und Bedrohung aus. Was bleibt, ist beunruhigend genug. Wieder geht es um den Kampf der Kulturen. Die Rede ist vom Islamismus. Und wieder zeigt sich die katholische Kirche engagiert, ja, unerschrocken wie keine andere der allerletzten Bastionen des Abendlandes. Der deutsche Botschafter des Papstes wird nämlich sein Domizil im Berliner Bezirk Neukölln ansiedeln.

Zur Erläuterung für alle, die mit der hauptstädtischen Geographie nicht so vertraut sind: Gemeint ist jenes Viertel, in dem so viele Türken leben wie sonst Deutsche in einer x-beliebigen deutschen Kleinstadt. In Neukölln wird so selbstverständlich Türkisch gesprochen wie in Florida Spanisch. Kurzum: Dort leben mehr Menschen mit islamischer als mit katholischer Prägung. Es gibt sogar über ein Dutzend Moscheen in diesem Teil der Hauptstadt – mehr jedenfalls als katholische Gotteshäuser.

Dabei hätte der Vatikan ebensogut in Regierungsnähe siedeln können. Aber Neukölln – das ist wahrlich couragierter als die ewigen Der-Umzug-nach-Berlin- kommt-uns-zu-teuer-Nörgler, die am liebsten in ihrem Bonner Dorf bleiben wollen, um sich den Gefahren der Metropole nicht aussetzen zu müssen. Der Vatikan jedenfalls überlebt mit furchtloser Mentalität seit Jahrhunderten. Wie lange man dies von der politischen Klasse der real existierenden Bundesrepublik sagen kann, muß leider offen bleiben. JaF

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen