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■ QuerspalteVerpißt euch, Nachbarn!

Was nützt es denn, wie Bundespräsident Roman Herzog bei jedem x-beliebigen Anlaß mundartig eine humanere Gesellschaft einzufordern oder wie die Zeit nach einem neuen alten Literaturkanon zu greinen, wenn es schon mit dem Zivildienst am Nächsten hapert, ja regelrecht beschissen aussieht. Der Bild-„Pipi-Test“ brachte es zutage: Die meisten Deutschen lassen ihre Mitmenschen noch nicht einmal aufs Gästeklo.

Dabei war es eine eherne Regel, eine Art ungeschriebenes BGB, in dem auch stand: Du sollst jedem, der danach fragt, ein Glas Wasser geben. Oder auch alten Damen den Sitzplatz überlassen. Aber ganz vorn, quasi als Präambel, war darin verankert, daß jeder, dem Blase oder Darm bedenkliche Signale ans Stammhirn morsen, unverzüglich hereingelassen und zum Klo geführt wird. Wie oft kam man auf diese Art zu schönen Eindrücken von der Farbig- und Flauschigkeit sanitärer Auslegware im Austausch gegen olfaktorische Raritäten.

Aus und vorbei. Die viel beklagte soziale Kälte und die Auflösung des Solidarpakts machen nirgends halt, nicht mal vor der Kloschüssel. Was schert es die Hausfrau Barbara M., wenn sich ein gepeinigter Ausflügler vor ihre Tür verirrt? „Da könnte ja jeder kommen, gehen sie doch in den Wald“, ruft sie und läßt die Tür ins Schloß knallen, daß in der Gästetoilette die Reserverollen vom Regal fallen. Noch menschenverachtender wimmelte die 22jährige Pamela S. ab. „Ich will mir keinen Pilz holen“, rümpfte sie kurz die Nase und: „Das können Sie ihrer Großmutter erzählen“, schäumt Rentner Raimund N., der sich schon halb erdrosselt und erdolcht vorm Telefonschränkchen liegen sieht – wie er es bei „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ gesehen hat.

Armes Deutschland, wo Menschen wie hysterische Köter durch Parkanlagen und Straßen streunen, nur weil ihnen die Natur kommt.

Deshalb: Wehret den Anfängen. Wer noch einmal das Gästeklo abschließt, dem wird gnadenlos in den Vorgarten geschissen. Oliver Gehrs

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