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■ QuerspalteTips für den Suizid

Das Leben ist herzlos und gemein. Ein junger Mann sprang vom obersten Deck eines Parkhauses in den Tod. Das heißt, er versuchte in den Tod zu springen. Tatsächlich überlebte er, weil ein vor dem Parkhaus geparktes Fahrzeug dummerweise seinen Aufprall etwas milderte.

Der Halter des lebensrettenden Fahrzeugs war erschüttert. Mein armes Auto, hätte ich es bloß im Parkhaus geparkt statt davor, warf er sich vor. Dann ging er zur Versicherung des gescheiterten Selbstmörders und bat um Ersatz des Blechschadens. Aber Versicherungen sind kalt, die Nöte der Menschen interessieren sie bekanntlich nicht. Weshalb sie auch in diesem Fall brüsk die Ersatzleistung verweigerte.

Durch den Selbstmordversuch habe sich nämlich, so die Begründung, keine „Gefahr des täglichen Lebens“ verwirklicht. Vielmehr sei das Springen von Parkhausdächern eine „ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung“, die laut Vertragsbedingungen den Versicherungsschutz entfallen lasse.

Wehret den Anfängen, dachte sich die Versicherungsbranche. Schließlich könnte es in der heutigen suizidalen Grundstimmung unserer Gesellschaft schnell den Ruin mancher Assekuranz bedeuten, wenn unentschlossene Selbstmörder auf parkende Autos herunterregnen, um sich so noch eine gottesurteilsgleiche kleine Überlebenschance einzuräumen.

Manche PsychologInnen lobten die Versicherung, weil sie mit ihrer harten Linie unentschlossene Menschen von Selbstmordversuchen abhalte. Andere wiederum vertraten die These, so viel Hartherzigkeit lasse sensible Naturen erst recht an der Welt verzweifeln.

Jetzt entschied der Bundesgerichtshof (Az.: IV ZR 269/96) in letzter Instanz den Streit der Seelenforscher: Die Versicherung muß bezahlen, es sei denn, sie kann nachweisen, daß der junge Mann vorsätzlich auf das Auto gesprungen ist. Um unangenehme Beweisprobleme zu vermeiden ist es also ratsam, bei dem nächsten Selbstmordversuch eine Augenbinde anzulegen. Christian Rath

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