■ Querspalte: Guter Stern ist schlechter Stil
Mercedes-Benz hat ein neues Auto hergestellt. Es heißt, so berichtet Bild, „Maybach“, ist „ein 5 Meter 77 langer Gigant“, „handgemacht“, „mit Satelliten-Navigation, Fernseher, einem Computer mit Internet-Anschluß“, einer „Bar mit heißen und kalten Getränken“ und kostet „mindestens 300.000 Mark“. Na und?
Denn das, was sie so verzweifelt gerne hätten, haben die deutschen Autobauer wieder einmal nicht: Stil. Stil nämlich hat in erster Linie mit Understatement zu tun – und ist also das Gegenteil von Prahlerei. Genau das aber kapieren sie nicht: „Gigantisch groß, gigantisch vornehm, gigantisch teuer“, schwärmt Bild und bemüht entsprechend auch die dummstolze Feinköstler-Phrase „vom Feinsten“. Was nur heißt, daß die Mercedes-Klientel ähnlich minderwertkomplexig ist wie die von BMW: Blindfisch Mit Wurstgesicht.
„Unter der Haube brabbelt“, laut Bild, „ein 6-Liter-12-Zylinder-Motor mit 400 PS.“ Was brabbelt er denn? Vielleicht: „Hmmh, grummel, warum muß ich arme gute Maschine bloß in einem doofen deutschen Benz sitzen? Warum darf ich nicht einen Rolls-Royce zieren, einen Bentley, einen alten Jaguar oder einen britischen Daimler? Aber Mercedes? Aus Stuttgart? Wie rufschädigend!“
Mercedes-Benz ist die peinliche Sorte Klassenkampf: von oben immer mitten in die Fresse rein, Blinker links und die Lichthupe auf Dauerschaltung. Die Anhänger genau dieser Ideologie fahren sich – wenn auch meist in billigeren Automobilen – jedes Wochenende angenehmerweise massenhaft tot. (Achten Sie bitte auf die Berichte im Lokalteil Ihrer Heimatzeitung und auf die schnieken Holz- und Blumen-Mahnmale auf Bundes- und Landstraßen!)
Geld, so heißt es gern bei Bild, mache nicht glücklich. Das ist Quatsch: Geld macht glücklich, wen es glücklich macht. Intelligent aber, und das ist der Trost, macht es nicht. Bzw. wie schon Sitting Bull jr. sagte: „Wir haben diesen Wagen von unseren Eltern nur geliehen.“ Wiglaf Droste
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