piwik no script img

■ QuerspalteInternet-Chat

In grauer Vorzeit, vor einem Monat noch, waren mein Computer und ich voneinander entfremdet. Während ich mich weigerte, ihn als eigenständigen Partner, Freund, Kollegen und Genossen anzuerkennen, und auf den vermeintlichen Diener und Sklaven rücksichtslos zu aschen pflegte – auch Kaffee oder Tee kippte zuweilen auf die Tastatur –, bestrafte er mich mit schlechtgelaunten Abstürzen. Auch wenn wir tagtäglich aneinander herumzufummeln pflegten, waren wir einander doch fremd; gelangweilte Fragezeichen, die das Leben mal zufällig zusammenführte und sich darin üben, einander zu boykottieren. So behinderten wir uns all die Zeit gegenseitig und kamen doch nicht voneinander los. Möglicherweise waren wir einfach nur zu lange miteinander ganz allein gewesen.

Seitdem wir uns jedenfalls im Socialising üben, ist inzwischen alles anders geworden. Angenehmer, viel schöner. Dank Internet! Da treiben wir uns gerne rum; meine Festplatte, die mittlerweile „Taumel“ heißt, und ich. Wobei ich in den „Chats“, die wir gern besuchen, auch eher ein anderer bin. Mal Gundolf (38), mal Blöde Zicke (27), mal Scheu (bi). Ist jedenfalls prima. Zuweilen allerdings auch ziemlich rauh und auch herzlich. Neulich, auf dem Datenhighway zum Beispiel, saßen wir gemütlich mit „Nikolaus 23“, „Schwanz 25 cm“, „KunuLingus“, der „Kifferin“, „Bär 35“ und „Busen“ zusammen auf einer abgelegenen Datenraststätte. Schickten einander imaginäre Zigaretten und gaben auch mal Bier aus. War lustig.

KunuLingus war nicht ungebildet und wußte sogar wie man „Fellatio“ schreibt. Dann wollte er Taumel und mich in ein Séparée einladen, um Sachen mit uns zu machen, die er mit einem psssst ... ankündigte. Das ließen wir dann doch lieber, denn plötzlich platzten „Gott“, „Saddam“ und „WAIGEL“ in den Kanal. Das irritierte zutiefst. Demnächst werden Taumel und ich mal mit Bärbel Bo (23) oder Wiglaf (nackt) kontern. Detlef Kuhlbrodt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen