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■ QuerspalteGewinner braucht das Land

Wer am deutschen Standort als Gewinnerin oder Gewinner durchgeht, das ist noch längst nicht geklärt. Abends kurz vor acht im Ersten Programm erfährt man zwar Näheres, aber längst nicht alles. Ein Gewinner ist beispielsweise, wer die Kosten für die Reparatur eines Dinosaurierskeletts selbst tragen kann, welches durch eigenen Leichtsinn zusammengebrochen ist. Ein Gewinner ist, wer voll eingeseift noch genug Geld hat, um den zweiten Schauer aus einer Automatendusche zu bezahlen. Die „Goldene Eins“ kann von den alltäglichen deutschen Widrigkeiten ein Liedchen pfeifen. Ein Gewinner ist auch, wer beim Berliner Presseball eine Reise nach Bangkok gewonnen hat. Sieben Tage im Luxushotel, inklusive Flug! Und hier zeigt sich, wie gestört das Verhältnis der Deutschen zum Gewinnen und Verlieren an sich ist: Der Preis wird nicht abgeholt.

30.000 Mark ist die Reise wert, gestiftet von Lufthansa und Kempinski. Und jetzt kommt keiner. „Ich weiß nicht, wie so was passieren kann“, klagt der Lufthansa-Sprecher über das traurige Los von Los Nr. 3136, „schade drum“. In bar umzutauschen wäre der Preis nicht. Gestiftet ist gestiftet. Wer gewonnen hat, muß schon selbst nach Fernost jetten (trotz Flugangst!), sich mit dem Partner sieben Tage lang ein Hotelzimmer teilen (Beziehungsangst!) und sich im feuchtheißen Klima auch noch wohlfühlen (Ohnmachtsangst!). Gewinnen liegt nicht jedem.

Warum sonst würden fünf Millionen Mark Lottogewinne in Berlin alljährlich nicht abgeholt? Warum sonst gammeln auch jetzt wieder nach dem Presseball Fahrräder und Staubsauger vor sich hin, weil die Gewinner wegbleiben? Warum hat der taz-Kollege, der kürzlich über ein Rubbellos eine Maltareise gewann („nicht in bar umzutauschen“), die Fahrt weder verschenkt noch jemals angetreten? Verantwortungslos ist das. Die Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe hat den von ihr gewonnenen Mercedes E 240 T schließlich auch abgeholt. Obwohl sie lieber Bus fährt. Die Frau weiß, was sie dem Standort schuldet: Den Deutschen fehlt nicht nur die Bereitschaft, zu verlieren, sondern noch mehr der Wille zum Gewinn. Gewinner braucht das Land! Barbara Dribbusch

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