■ Querspalte: Wichser aller Länder...
Die Sexualität ist eine Straße mit vielen Schlaglöchern, auf der manches Malheur passieren kann. Besonders, wenn die Leute Sachen machen und diese Sachen später ans Licht der Öffentlichkeit kommen. Hans Wallner zum Beispiel. Neulich wurde dem CSU-Abgeordneten die Immunität entzogen, weil er angeblich für 25.000 Mark auf Kosten des Freistaates Bayern Telefonsex hatte. Nicht ganz fein sicherlich, auch wenn sich der Schaden eher im „Peanuts“-Bereich bewegt.
Für Belustigung und begeisterte Verächtlichmachung des CSU-Abgeordneten Wallner sorgte vor allem die Vorstellung von einem Staatsdiener, der im Staatsdieneranzug am Bürotelefon zu onanieren pflegt. Wenn pro Ejakulat eine Viertelstunde einkalkuliert wird, dürfte er ca. 694mal „gekommen“ sein, schmunzelte die Opposition, die auch herausgefunden hat, daß etwa drei Liter Sperma geflossen sein dürften. Wenn Wallner das Geld im Bordell ausgegeben hätte, wäre ihm sicher verziehen worden. So aber nicht.
Darüber, daß Wichser Wichser sind, herrscht weitgehend Konsens. Ein fauler Konsens, den nicht nur die Ludwigshafener Zeitschrift Der abgewandte Onanist zu brechen sucht. Vielerorts protestieren mittlerweile Menschen gegen die Verächtlichmachung onanistischer Praktiken. Von einer „völlig neuen sozialen Bewegung“ spricht der Berliner „autonome Arbeitskreis kritischer OnanistInnen“ in seiner in der Obdachlosenzeitung Straßenfeger veröffentlichten Schrift. „Natürlich ändert Masturbation nichts an den gesellschaftlichen Verhältnissen, an der strukturellen und verbalen Gewalt gegenüber sozial Schwachen, Frauen, Menschen mit anderer Hautfarbe und nicht zuletzt gegenüber OnanistInnen“, räumen die AutorInnen zwar ein, trotzdem handele es sich um „Herr-Schaftsfreien Sex“. Während in zwischenmenschlichen Beziehungen „immer zumindest strukturelle Gewalt enthalten“ sei, „so jedenfalls Männer an ihnen beteiligt sind“, ist Onanie „per se antipatriarchal“ und „immer Ausdruck eines selbstbewußten Umgangs mit dem eigenen Ich“.
Kurzum: Der Staat „grenzt OnanistInnen weiterhin aus“. Denn Onanie ist „ein emanzipativer Vorgang, der zusehends antikapitalistische Züge trägt“. Stimmt zwar nicht. Klingt aber trotzdem gut. Detlef Kuhlbrodt
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