■ Querspalte: Ist Saddam nicht mehr Hitler?
Anfang 1991 lernte man einiges dazu über die Landsleute. Wie unter Hypnose hängten nicht wenige von ihnen ihre Bettlaken aus dem Fenster, die rot auf weiß bekleckert, nach sehr privaten Vorgängen aussahen. Es war aber keine Hypnose, und es war auch nicht privat. „Kein Blut für Öl“ stand auf den Laken, und das hieß: Für etwas Profanes wie Profit zieht der gute Deutsche nicht in den Krieg – da muß schon etwas Wichtigeres kommen, etwas Grundsätzliches. Dazu paßte auch der zweite Teil der Botschaft: Für die Israelis, also die Juden, rührt der gute Deutsche keinen Finger. Denn die Juden hatten es schuldhaft versäumt, in deutschen Konzentrationslagern zu lernen, daß man keine Kriege führen soll, und dafür, daß sie sich jetzt ihrer Haut wehrten, hatten die Deutschen sie 50 Jahre vorher schließlich umgebracht.
Einige der guten Deutschen empfahlen den Israelis deshalb ganz ernsthaft, sie sollten sich z.B. durch den Gebrauch von Gasmasken verteidigen. Wer bis dato nicht wußte, was er von der deutschen Friedensbewegung zu halten hatte, der wußte es im Golfkrieg, der aber, schenkte man den guten Deutschen Glauben, in Wahrheit in Deutschland ausgetragen wurde, genauer: im deutschen Feuilleton. Dort versuchte Hans Magnus Enzensberger zu zeigen, daß Saddam wie Hitler ein „Feind des Menschengeschlechts“ sei. Und Wolfgang Pohrt wollte im Furor eine Atombombe auf Saddams Irak werfen bzw. eigentlich auf die deutsche Friedensbewegung; das aber verstanden die guten Deutschen gar nicht, denn schließlich war Saddam Hussein der letzte Held der dritten Welt, in die sie ganz vernarrt waren, und ein Bollwerk gegen den US-Imperialismus, auf den sie sehr schimpften.
Und heute? Alles vergessen? Ist Saddam jetzt kein Hitler mehr? Sondern nur noch ein öliger Herrenfriseur, einmal Arsch lecken und rasieren, bitte? Hat sich die Friedensbewegung ganz umsonst blamiert? Und haben die deutschen Feuilletonisten am Ende alles gar nicht so gemeint? Man könnte richtig ins Grübeln kommen. Wiglaf Droste
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