■ Querspalte: Wer ist Schröder?
Schade, daß es Robert Lembke nicht mehr gibt. Sie erinnern sich an den netten Onkel im Fernsehen? Der seine Kandidaten vor die Kamera setzte, damit ein Rateteam mit eleganten schwarzen Augenmasken die existenzielle Frage beantworten konnte: „Wer bin ich?“. Wer, wenn nicht das Lembke- Team könnte dieses Rätsel lösen, auf das heute – selbst ohne Augenmaske – keiner eine Antwort weiß?
Da ist ein Kandidat, Millionen Niedersachsen haben ihn gewählt, aber keiner weiß, wer er ist. Ist er Tony Blair? Oder Bill Clinton? Ist er ein Kohl-Klon? Oder doch eher ein Guildo Horn? Ist er Ex-Ehemann von Hillu oder Nochgatte von Doris? Wer ist Gerhard Schröder? Wer ist der Kanzlerkandidat, der alles ist, nur nicht der eine? Neulich habe ich meinen Steuerberater in Schröder wiedererkannt, aber dann hatte er auch was von diesem Schlagerekel Dieter Bohlen. Und ist er nicht auch irgendwie ein Lothar Matthäus, um ein paar Jahre feister? Oder ein prädiätaler Joschka ohne Jogginganzug? Spätestens jetzt hätte Robert Lembkes Team die Lösung gefunden. Gerhard Schröder ist eine multiple Persönlichkeit. Und das macht diese Kandidatenkür zu einem wahrhaft historischen Plebiszit. Die Zeiten sind vorbei, wo ein Regent alles in einer, wenn auch beträchtlichen Leibesfülle vereinigen konnte. Das Volk, es will nicht einen Kanzler, es braucht viele und am liebsten einen zum Selberbasteln. Einen Playmobil-Kandidaten, dem man Bauarbeiterhelme überstülpen kann oder Rennfahrerkluft, den man zum Landwirt mit Schiebermütze machen kann oder zum Feuerwehrmann. Ein Kanzler für alle Fälle und für jeden Geschmack.
Nur eine Frage stimmt uns nachdenklich, und wenn sie Gerhard Schröder jemals erreichen sollte, wünschen wir ihm starken seelischen Beistand: Die Wählerinnen und Wähler und all die Journalisten wollten mit seiner Wahl vieles, nur eines offenbar nicht: Gerhard Schröder. Aber vielleicht weiß der inzwischen ja selbst nicht mehr, wer das ist. Vera Gaserow
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