■ Querspalte: Oder-Tag: Flut statt Krieg
Es hätte so nett werden können in Frankfurt an der Oder. Am 15. August sollten dort Rekruten der Bundeswehr vereidigt werden. Ein Gelöbnis de Luxe hatte Volker Rühe geplant: einen nationalen Feiertag! Der 15. August wurde nämlich als Jahrestag der Oderflut ausgemacht, die Polen, Tschechien und Brandenburg 1997 heimsuchte. Jedes Jahr sollte nun daran erinnert werden, wie tapfer die Bundeswehr damals dem flüssigen Feind aus dem Osten trotzte.
Daraus wird leider nichts. Das Stadtparlament von Frankfurt hat abgelehnt, den Marktplatz für das geplante Spektakel herzugeben. Eine kaum verständliche Entscheidung. Hätte doch das nationale Erinnern an die „Oderhelden“ touristischen Aufschwung ohnegleichen für die geplagte Region bedeutet. Am Oder-Tag hätten Schulklassen aus dem ganzen Reich nach Frankfurt eilen können, um wie weiland am Sedan-Tag der Großtaten deutscher Soldaten zu gedenken. ABM-Kräfte hätten ein Oder-Schlacht-Denkmal aus Sandsäcken aufgetürmt, größer und mächtiger als das bröselnde Völkerschlachtdenkmal zu Leipzig. Der „Deichgraf“, Umweltminister Matthias Platzeck, als Flutbezwinger, den Spaten gen Himmel reckend, 100 Meter hoch verewigt, nach dem Vorbild des Hermanns-Denkmals im Teutoburger Wald.
Eine von nationalen Symbolen verklärte Flutbekämpfung könnte gar die eigentliche Funktion jeder Armee überflüssig machen: die Kriegsführung. Denn was suchen die Krieger auf den Schlachtfeldern? Die „Äußerung eines Elementaren“ (Ernst Jünger) kriegt der Krieger knietief im Element Wasser auch. Krieg sei „wildes Auffluten des Lebens“ (auch Jünger). Na, bitte, auffluten an der Oder statt in Stalingrad!
Dies zivilisatorische Element von Überschwemmungen hat auch die Ortschaft Wriezen im Oderbruch erkannt. Hier findet das Gelöbnis nun statt – quasi direkt am Deich. Den jungen Wehrpflichtigen wünschen wir kein Kriegserlebnis, wohl aber das Auffluten von Elementaren. In diesem Sinne: Hals- und Deichbruch, Rekruten! Robin Alexander
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen