■ Querspalte: "Die Zeit" als Doppelwhopper
Ausgerechnet Die Zeit. Pastoral-betuliches Zentralorgan für den Pfeife rauchenden Oberstudienrat und gern mit dem Ornament „gute alte Tante“ behängt, hat sie jetzt zum Äußersten gegriffen, um ihr Image zu liften. Neue Abonnenten bekommen als Fangprämie einen McDonald's-„Wertscheck“ über 120 Mark. Sie müssen den Gutschein nicht bei einem einzigen Besuch beim Fast-food-Multi verfressen, sagt die freundliche Dame von der Prämienabteilung, denn „das wäre ja dann doch büschen viel, nech?“. Der Neuabonnent wird so zum programmierten Wiederholungstäter durch Mehrfachbesuch. Kinder und Partner dürfen mitgenommen werden. Schlimm, Die Zeit, schlimm!
Der Hartschalenkoffer mit Zahlenschloß und die Espressomaschine mit Stromkontrollanzeige genügen also nicht mehr. Der Wasserkocher „Porsche Design“ ist nicht mehr hype. McDonald's muß ran. Ist das die Anpassung der Werbeprämie ans neue Layout, das in seiner wuchtigen Ästhetik als typographischer Doppelwhopper daherkommt? Wird hier das Prämien-Kontrastprogramm zur Vergreisung der Herausgeberschaft inszeniert? Der Anruf bei der Aboabteilung macht alles noch schlimmer: „Also wir werden ja von sehr vielen Studenten gelesen“, denunziert die freundliche Dame die jüngsten Zeit-Leser ungeniert als Zombiefresser.
Was sagt eigentlich Siebeck dazu? Auf Seite 11 des Zeit-Magazins steht die McDonald's-Prämie. Auf Seite 38 grummelt der Gastrokritiker, der dieses Mal zu Eselswurst, Honig und leicht schrumpeligen Oliven aus der Provence rät, zu grünlich-fruchtigen Ölen, deren Aroma „sich explosionsartig ausbreitet, wenn sie über dampfendes Gemüse gegossen werden“. Kein Wort über die knusprig-zarten, herrlich duftenden Hamburger, nix über den aufregenden Dialog von Salatblatt und ChickenMcNuggets. Die freundliche Dame der Prämienabteilung klärt alles auf: „Unsere Leser lesen unheimlich gern Siebeck und gehen heimlich zu McDonald's.“ Manfred Kriener
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