■ Querspalte: Truppenbetreuung
Weihnachten in Bosnien. Zu Besuch bei der Truppe: der Bundesverteidigungsminister. Während die amerikanischen GIs von ihrem Präsidenten mit Riesenportionen leckeren Truthahns versorgt worden sind und der Champagner in Strömen fließt, muß der gemeine deutsche Knobelbecher mit glibbrigen Speckwürfeln versetzte Erbsensuppe aufnehmen, die aussieht wie Nasenschleim. Dazu gibt es ein warmes Fläschchen kroatisches Bier. Nur eins. Die Stimmung könnte besser sein. Volker Rühe, der grübelnd mit leichten Blähungen durch die bosnische Nacht schleicht und hinter dem liebevoll dekorierten Festzelt der immer noch feiernden Amerikaner auf Austernschalen tritt, ahnt, daß es so nicht weitergehen kann. Noch auf dem Rückflug in die Heimat gibt er dem Versorgungsoffizier Weisung: Deutsches Bier zu jeder Zeit, an jedem Ort der Welt bereit. „Wir sind da.“
Soeben hat der Bundesrechnungshof gerügt, daß die Bundeswehr die Flugbereitschaft für artfremde Aufgaben mißbrauche, weil sie zum Beispiel 30.000 deutsche Biere nach Nordamerika oder eine Musikkapelle zu einer Shuffle-Boat- Party nach Sardinien geflogen habe. Bier und Tanzgruppen habe man auf Kosten des Steuerzahlers befördert, der doch überhaupt nicht versthe, was abendliche Lampionfeste mit dem Auftrag der Truppe zu tun hätten, empörten sich die obersten Prüfer. Ja, haben die denn gar nichts verstanden?
Wer fern der Heimat seinem Vaterland dient und sich tagtäglich mit schnauzbärtigen Hirtenburschen herumärgern muß, unter tropischer Hitze leidet und sich beim Klettern über sardisch-serbisches Felsgestein Blutblasen läuft, der hat am Abend etwas Zerstreuung verdient. Rühe zu rügen ist daher grundfalsch. Wer schon einmal an einem Freitagnachmittag grölende und rülpsende, mit der obligatorischen Ex-Büchse bewaffnete Soldaten bei der Heimfahrt beobachtet hat, weiß, was der Hauptantrieb von Schütze Arsch ist: deutsches Bier. Ob in Stalingrad oder im Kosovo, für die starke Truppe gilt: Erst feste feiern – und dann fallen. Michael Ringel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen