■ Querspalte: Ohne Blutgrätschen
Die Sportjournalisten sind derzeit fixiert auf millionenschwere Rasenarbeiter und prügelnde Mittelschichtler, und das ist ziemlich skandalös. Denn niemand berichtet aus der Welt, wo weder Geld noch Blut fließen, wo Sport noch Sport ist und wo fair noch vor geht: von den Spielen um die 1. Deutsche Meisterschaft im Human Table Soccer zum Beispiel. Richtig lustig ist es dort übrigens auch. „Human Table Soccer bringt genau die Gaudi in den Fußball, die ich immer vermißt habe“, sagt Sepp Maier, der als eine Art Pate dieses Sports gilt, obwohl er sich derzeit auch dort aufhält, wo die millionenschweren Rasenarbeiter und die prügelnden Mittelschichtler sind.
Human Table Soccer funktioniert wie das gute alte Tischfußballspiel. Der Unterschied: Der Mensch aus Fleisch und Blut steht nicht außerhalb des Feldes und dreht wie bescheuert an Stangen mit Figuren dran, sondern er selbst tritt eigenfüßig nach dem Ball. Gespielt wird auf einem aufblasbaren Feld, das von sechs Stangen durchquert wird; gegenüber stehen sich zwei Mannschaften à acht Kickern, die alle, wie beim richtigen Tischfußball, ihren festen Platz haben: Die Spieler müssen ihre Hände in Schlaufen stecken, die sich an den Stangen befinden. Wer sie herauszieht, wird vom Schiedsrichter bestraft. Der heißt beim Human Table Soccer allerdings „Court-Beobachter“ und ist ansonsten dafür zuständig, den Ball ins Feld zu werfen.
Gegrätscht werden kann also nicht, und auch Laufarbeit ist nicht erlaubt. Ist HTS damit nicht zugeschnitten auf die großen Regisseure, auf die wahren Genies, die gemeinhin als „Stehgeiger“ verunglimpft werden, auf all die Baslers und Valderramas? Ihnen dürfte es auch recht sein, daß ein Spiel nur fünf Minuten dauert. Heute finden in Apolda, Gifhorn, Leinfelden, Schweinfurt und Zerbst Vorausscheidungen für die Meisterschaft statt. Wer sich, aus welch windigen Gründen auch immer, in der Nähe dieser Orte aufhält, ein Freund des wahren Sports ist, weiß, was er zu tun hat. René Martens
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