■ Querspalte: Singen für den Kosovo
B. Lind (Name geändert) aus Gelnau schrieb einen Beschwerdebrief. Direkt „An die taz-Chefredaktion“, und sie grüßte nicht mit „Hallo, Ihr Lieben“ oder „Sehr geehrte Damen und Herren“, sondern mit dem kalten Wort „Berichtigung“. Die scharfen Augen der B. Lind hatten einen Fehler entdeckt. Es hieß nämlich „Expeditionskorps“, als deutsche Soldaten in China marschierten. Nicht „Expeditionschor“, wie es in der letzten Querspalte stand. „Als Abonnentin finde ich täglich mindestens einen fetten Druckfehler. Der obige war allerdings zu heftig, um unkorrigiert durchzugehen...“ schimpft die strenge Frau Lind. Und: „Insbesondere in einer Sprachglosse sollte dergleichen nicht vorkommen...“
Nach der Lektüre dieser Fatwa sang die Chefredaktion dem „Expeditionschor“ ein gar garstig Lied. Der Korrektorin wurde zum Zeichen der Schande der Schädel raspelkurz geschoren. Der bearbeitende Redakteur darf drei Monate lang nur noch das Fernsehprogramm abtippen. Der Autor muß 100.000mal „Expeditionskorps“ schreiben. In dieser harten Fron kam die Linderung ausgerechnet von einem anderen Leserbrief zu „Chor“ und „Korps“. Max Reinhold und Markus Lessmann aus Berlin erkannten „...manch schöne, nachgerade pazifistische Anregung“ in der Wortschöpfung „Expeditionschor“. Sie verweisen auf den CDU-Politiker Gerhard Mayer-Vorfelder, der einst meinte: „Mit einem fröhlich volkstümlichen Gesang auf den Lippen, läßt sich manche Lebenshürde besser nehmen als unter der Knute bläßlich angekränkelter Gedankenschwere.“ Die beiden Idealtypen eines Leserbriefschreibers fordern sogar neue „Expeditionschöre“: „Schickt sie aus, die Chöre! Singen im und für den Kosovo. Die Serben werden's danken.“ Haltet ein, Freunde! Der Export deutscher Volksmusik in die Krisenherde dieser Erde bleibt tabu. Auch der fröhlichste „Expeditionschor“ darf nicht vergessen: Vom deutschen Boden soll nie wieder Lied ausgehen! Robin Alexander
PS: Für B. Lind haben wir auch in dieser Kolumne wieder einen kleinen Fehler versteckt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen