■ Querspalte: Wenn Männer im Fühlen wühlen
Was haben wir uns Mühe gegeben. Damals, in den frühen Achtzigern. Männergruppenzeit. All die Debatten um unsere Rolle, nächtelange Gespräche um Orgasmus-Imponderabilien, Sinnlichkeitsdefizite und Beziehungsverdrießlichkeiten. Ja, im Fühlen wühlen! Wir haben gemeinsam zu weinen versucht oder einen Abend lang ganz nackt verbracht, dabei unsere eigene Geburt nachgespielt und beim Körperkontakt all unsere Höllenängste um Spontan-Erektionen erst verdrängt und dann so echt toll offen diskutiert, ey. Und alles diente nur dem einen Ziel: Ein anderer Mann zu werden, frei, offen, liebesfähig. Ein richtiger Gutmann eben. Einer, den die Frauen klasse finden. Tragisch nur, daß uns unsere Freundinnen damals bei der Gruppenarbeit nicht erleben konnten. So offen wie da waren wir zu Hause nämlich nie.
Also, alles nix genutzt? Von wegen: Jetzt sind sie nachgewiesen, die Neuen Männer. Demoskopisch. Nicht mikroskopisch. Volle 19 Prozent gehören dazu. Das hat eine ökumenische Studie der beiden Kirchen ergeben. Neue Männer sind, lesen wir, richtig klasse: Sie bügeln nicht ihre Partnerinnen ab, sondern die Wäsche. Sie haben ein Verhältnis zu Bratkartoffeln und sogar öfter als einmal erfolgreich einen Löffel gespült. Und trotz Beruf spielen sie so oft mit ihren Kindern, daß diese nicht mehr fragen: „Mami, wer ist der fremde Mann, der sonntags immer den Braten schneidet?“
Das läßt uns hoffen. Bleiben ja nur noch schlappe 81 Prozent Männermänner alter Art: Normalos, Gesinnungs-Chauvis und Zotenfritzen; die Pragmatischen, die Unsicheren und vor allem die Traditionellen, wie die Studie sie nennt. Offen bleibt aber: Wie sind eigentlich Neue Frauen? Kirchen, sagt! Macht Studien! Und prüft, ob die auch über „weniger religiöse und vom Glauben herkommende Ressourcen“ verfügen wie diese neuen Neuen Männer. Das wäre dramatisch. Denn dann ist bald nix mehr mit Kirchen, und dann bald nix mehr mit Umfragen wie dieser. Nur noch Neue Menschen überall. Halleluja! Bernd Müllender
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