■ Querspalte: Schieß doch, Bulle!
Was dabei herauskommt, wenn die Debatte über aktive Sterbehilfe zu keiner befriedigenden Lösung kommt, zeigt sich derzeit in den Vereinigten Staaten: Jede sechste Person, die 1997 durch Polizeikugeln den Tod fand, hatte gezielt provoziert, um erschossen zu werden. Das, so meldet der Nachrichtensender BBC, zeige eine neue Studie in den USA. Dieser Trend zum „Suicide by cop“, „Selbstmord durch Bullen“, sei schon länger bekannt, Polizeibeamte würden mittlerweile gezielt im Umgang mit selbstmordgefährdeten Personen geschult. Was genau sie dabei lernen, sagt die Meldung nicht. Und sie gibt leider auch keinen Aufschluß darüber, wie die Forscher den Todeswunsch posthum herausgefunden haben. Vielleicht durch Abschiedsbriefe, etwa: „Bulle, ich wußte, Du würdest es tun. Danke!“ oder „Der Cop kann nichts dafür. Brigitte, warum hast Du mich verlassen?“
Dumm ist nur, daß diese armen Leute noch immer alle möglichen Mitmenschen in Panik versetzen müssen, um die Polizei endlich zum Abdrücken zu bewegen. Da wird ein ganzer Bus gekidnappt oder Passanten mit einem Gewehr bedroht. Das könnte man doch einfacher haben. Dem kurdischen Jugendlichen Halim Dener reichte es in Hannover 1994, ein Plakat der verbotenen PKK zu kleben, um einen Polizisten zur finalen Pflichterfüllung zu bewegen. Das ist sauber und bringt keine Unbeteiligten in Gefahr. Vorbild Deutschland.
Zu spät. Noch 1981 machte sich die Berliner Polizei den Umstand, den selbstmordwilligen Hausbesetzer Klaus-Jürgen Rattay unter einen Bus zu treiben, und die auf Tausende Lederjacken gepinselte Aufforderung „Schieß doch, Bulle!“ wurde jahrelang ignoriert. Die Polizei, dein Freund und Sterbehelfer, hat versagt wie die zivile Gesellschaft. Als in Deutschland noch „Bürger beobachten die Polizei“ an der Tagesordnung war, hieß es in den USA längst „Bürger benutzen die Polizei“. Wieder hat Deutschland eine Chance verschlafen, Trendsetter zu sein. Das wäre nicht nötig gewesen. Bernd Pickert
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