■ Querspalte: München brodelt und dampft
Edmund Stoiber ist ein kluger Kopf. Der brillant formulieren kann. 1979, vor genau 20 Jahren, sagte er in einem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau die schönen Worte: „Wir haben in der Vergangenheit nicht deutlich gemacht, daß Nationalsozialisten in erster Linie Sozialisten waren.“ Sauber durchdacht. Sozialisten sind Sozialisten. Und deshalb sind Sozialisten auch für zum Beispiel die Konzentrationslager verantwortlich. Damals war Stoiber CSU-Generalsekretär. Heute ist er bayerischer Ministerpräsident und sagt immer noch schöne Worte – zum Beispiel, daß die doppelte Staatsbürgerschaft gefährlicher sei „als der Terror der RAF“.
In dieser Woche laufen die Telefonleitungen zwischen Bonn und München heiß. Schäuble wird bei der von Stoiber initiierten Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft auf den Scharfsinn des Oberaudorfer Einser-Juristen zurückgreifen und den Satz formulieren lassen, den Millionen Deutsche unterzeichnen sollen. Was wird Dr. Stoiber durch den Kopf brummen?
Bloß keine Verweigerungshaltung. Positiv denken und formulieren: „Ich bin dafür: Auch in Zukunft sind Deutsche in erster Linie keine Ausländer und bekommen deshalb keinen zweiten Paß.“ Obwohl – nicht prägnant genug. Mehr ins Kämpferische muß der Text gehen: „Ich bin dagegen, daß Deutsche in Zukunft Albaner, Kurden oder Türken sind, und deshalb bekommen sie keinen doppelten Paß.“ Oder doch besser die Gefahren herausstellen: „Ich bin dagegen, daß deutsche Terroristen arbeitslos werden, und deshalb bekommen sie die doppelte Staatsbürgerschaft.“ Nein! Falsch!
Grübel. Brüt. Knobel. Es brodelt und dampft in der Staatskanzlei. Schließlich will Stoiber spätestens in 20 Jahren erster bayerischer Bundeskanzler sein. Ein funkelnder Satz muß her: Da, da ... – es kommt, es kommt. Von ganz tief unten. Aus der hintersten Ecke: „Ich ... –“ Nein, doch nicht. Wir müssen warten. Auf die Botschaft aus München. Nur noch wenige Tage. Mei, ist des spannend. Michael Ringel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen