■ Querspalte: Aimee und Manfred
Mit dem deutschen Film geht es seit ein paar Jahren leider aufwärts. Deshalb kommt 1999 keine Party mehr ohne cineastischen Small talk aus. Um nicht unangenehm aufzufallen, sollten Sie ganz schnell Nachhilfeunterricht in Sachen Kino nehmen. Oder wollen Sie etwa zugeben, daß Sie bisher „Zwei Nasen tanken Super“ für den Höhepunkt der hiesigen Filmgeschichte hielten?
In diesen Tagen ist es sogar schwer angesagt, die Berlinale zu besuchen. Die eigentliche Attraktion des Festivals sind allerdings gar nicht die Filme, sondern die Eröffnung. Obwohl die Bundesregierung ja mit Michael Naumann einen Eins- a-Event-Eröffner in Festanstellung beschäftigt, ließ es sich Bundeskanzler Gerhard Schröder in diesem Jahr nicht nehmen, persönlich die Festspiele zu starten. Eigentlich schade. Schröders Vorgänger hatten nie Zeit und Lust und schickten deshalb ihre Innenminister. Und nicht selten hatten diese Herren ein recht fernes Verhältnis zur Filmkunst.
Unvergessen etwa Ex-Innenminister Wolfgang Schäuble. Er halte sehr viel von ihrer Arbeit, erklärte er entsetzten Kulturschaffen, erst kürzlich habe er sich „Kevin allein zu Haus“ angesehen. Schäubles Nachfolger im Innenministerium und Ersatz-Eröffner-Amt war Manfred Kanther. Wenn er vor der Leinwand stand, raunten sich die ausländischen Gäste im Publikum schon mal zu: „... and the winner is Leni Riefenstahl.“
Ob Kanther der deutsche Beitrag im Wettbewerb, „Aimée und Jaguar“, gefällt, wissen wir nicht. Die Geschichte der lesbischen Liebe einer Jüdin und einer deutschen Mutterkreuzträgerin im Nationalsozialismus gehört auf jeden Fall auch zu Ihrem Kino-Nachholbedarf. Wenn Sie ganz kulturbeflissen wirken wollen, erzählen Sie in diesem Zusammenhang von Woody Allen. Der blafft in einem seiner Filme einen schwarzen Rollstuhlfahrer, der eine jüdische Zeitung liest, an: „Behindert hat Ihnen wohl nicht gereicht!“ Ein garantierter Lacher in Cineastenkreisen. Aber vergessen Sie nicht, unbedingt auf Woody Allen zu verweisen. Robin Alexander
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen