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Queeres Filmfest in der Republik MoldauDass die Liebe möglich ist

Beim Filmfestival Queer Voices in Chișinău geht es um mehr als Kino. Die dort vertretene Kunst wird durch reaktionäre Kräfte unterdrückt, auch Putin mischt mit.

Bei Queer Voices geht es um Liebe in all ihren Formen Foto: Queer Voices IFF/Mihail Calarașan

Es ist heiß und stickig. Die mehrere Dutzend Besucher:innen, die auf Klappstühlen Platz genommen haben, schwitzen. Manche haben Fächer dabei. Die Fenster sind mit bunten Tüchern abgedunkelt. Im improvisierten Kinoraum ist vorne das Logo von Queer Voices 2025 projiziert – ein blauer Mund mit rosafarbener ausgestreckter Zunge, die von einem Zahnstocher mit Olive durchbohrt ist.

Vom 10. bis 13. Juli fand in der moldauischen Hauptstadt Chișinău die insgesamt siebte Ausgabe des internationalen queeren Filmfestivals statt – im ehemaligen Ethnografischen Museum im Zentrum der Stadt, das seit etwa 15 Jahren als Atelierraum für Künst­le­r*in­nen und als alternativer Treffpunkt dient. An der Wand kleben wild zusammengestellte Kunstwerke und Glitter, eine Bar gibt es nicht. Nach einem Begrüßungssekt holt man sich die Getränke im Supermarkt gegenüber.

Die Moderatorin Stella kündigt enthusiastisch auf Englisch das Eröffnungsprogramm an diesem Donnerstagabend an. Los geht es mit einem Auftritt des neu gebildeten Queer Choir. Die in Schwarz gekleideten Sän­ge­r*in­nen führen unter anderem den Hit „Do You Believe in Love“ auf, der für Standing Ovations und begeisterte Rufe aus dem Publikum sorgt. Bei Queer Voices geht es um mehr als Film – es geht darum, in einem sicheren Rahmen und gemeinsam Liebe in allen ihren Formen ausleben zu dürfen. Und die liegt an diesem Abend deutlich spürbar in der Luft.

Man wolle eine Plattform schaffen, um queeren Stimmen Gehör zu verschaffen und Künst­le­r*in­nen mit verschiedenen sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten einzubinden, heißt es vonseiten des Festivals. Immer noch würden queere Menschen in der Republik Moldau durch religiöse Dogmen und patriarchalische Werte unterdrückt, wodurch es kaum einen queeren kulturellen Diskurs gebe. Und das will das Festival ändern.

Organisiert von einer moldauischen NGO

Der Botschafter der Niederlande, als Ein­zi­ge*r im Anzug erschienen, hält eine knappe Rede. Er dankt dem Festivalteam und den Be­su­che­r*in­nen dafür, dass sie ihr Land zu einem besseren Ort machen möchten, und wünscht viel Spaß. Die Niederlande stellen Mittel für das Festival bereit – wie auch das Nationale Filmzentrum Moldau (CNC) und der New Democracy Fund. Dabei handelt es sich um eine staatliche dänische Organisation, die zivilgesellschaftliche Initiativen in Osteuropa fördert. Organisiert wird das Festival von Moldox, einer 2017 gegründeten moldauischen NGO, die mit engagierten Dokumentarfilmen positive gesellschaftliche Veränderungen anstrebt.

Am ersten Festivalabend läuft unter anderem der brasilianische Dokumentarfilm „This Is Ballroom“ aus dem vergangenen Jahr. Dieser Film von Vitã Juru, bei dem es um die queere Ballroomszene von Rio de Janeiro geht, sprüht vor Energie und Leidenschaft. Neben dem Filmprogramm, das auch osteuropäische ­Newcomerfilme umfasst, gibt es eine Fotoausstellung, Partys, Workshops, eine Dragshow und vor allem viele Gespräche.

Projektmanagerin ­Lorelei Grigoriță, die zudem das in denselben Räumlichkeiten ansässige Queer Café organisiert, zeigt sich der taz gegenüber zufrieden: „Das Beste an diesem Jahr waren für mich die Ergebnisse der Workshops, das Filmemachen, das Theater und der Dragworkshop. Ich fand es toll, wie wir uns dort näher gekommen sind, und war von den Ergebnissen begeistert.“

Die Stimmung ist angespannt, deswegen gibt es Security beim Filmfestival

Die Prideparade in Chișinău Mitte Juni habe sie besucht, es sei herausfordernd gewesen. Es gab zahlreiche Gegendemonstrant*innen, da­run­ter konservative Christ*in­nen. Prorussische Akteure mobilisieren in der Republik Moldau seit Jahren gezielt gegen LGBTQ-Personen, die angeblich sogenannte traditionelle Werte gefährden. Sie sehen die ehemalige Sowjetrepublik als russische Einflusssphäre an, obwohl im vergangenen Herbst eine knappe Mehrheit der Wäh­le­r*in­nen bei einem Referendum für die Festschreibung des EU-Beitritts in die moldauische Verfassung gestimmt hat.

Russlands unlautere Mittel

Im September stehen in der Republik Moldau Parlamentswahlen an, und obwohl der Wahlkampf offiziell noch nicht begonnen hat, ist die Stimmung angespannt. Deshalb gibt es dieses Jahr auch Security beim Filmfestival. Bisher war das nicht nötig gewesen. Grigoriță sagt: „Die Sicherheitsvorkehrungen hängen damit zusammen, dass wir uns kurz vor den Wahlen befinden und einige der Parteien eine starke Anti-LGBTQ-Agenda verfolgen. Wir wollten jegliche Einmischung von ihrer Seite vermeiden, damit das Festival reibungslos ablaufen kann.“

Russland möchte mit unlauteren Mitteln wie direkten Geldzahlungen an Wäh­le­r*in­nen und De­mons­tran­t*in­nen und kostenlosen Vergnügungsparks die Stimmung im Land kippen. Aber schon jetzt hat es viel Einfluss, vor allem in den autonomen moldauischen Landesteilen Gagausien und Transnistrien. Letzteres erklärte 1990 seine Unabhängigkeit, wird aber bis heute von der internationalen Gemeinschaft als Teil der Republik Moldau betrachtet. Nicht einmal Russland selbst, das dort „Friedenstruppen“ stationiert hat, erkennt Transnis­trien als unabhängiges Land an. Mit Menschenrechten sieht es dort freilich schlecht aus.

Just am Mittwoch verabschiedete der Oberste Rat in der transnistrischen Hauptstadt ­Tiraspol ein Gesetz nach russischem Vorbild, das sogenannte LGBTQ-Propaganda, Geschlechtsumwandlungen und Aussagen, die als Bedrohung der Familienwerte angesehen werden können, mit Geld- und Gefängnisstrafen sanktioniert. Der Kreml führt in Moldau einen Kulturkampf – die „russische Welt“ gegen „Gayropa“. Man will hoffen, dass Letzteres gewinnt.

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