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Queer im Iran, queer in Berlin"Wir sollen als Schatten leben"

In Berlin wird der CSD gefeiert, im Iran werden Homosexuelle mit dem Tod bedroht. Die Berliner Aktivistin Katayun Pirdawari spricht über deren Alltag.

Im Iran undenkbar, in Berlin nichts außergewöhnliches: CSD 2011 Bild: dpa
Interview von Laura Wösch

taz: Vergangenes Wochenende fand das queere Motzstraßenfest statt. Dort waren Sie mit einem Stand vertreten, der über Menschenrechtsverletzungen an Homosexuellen im Iran aufklärte. Wie sieht die Lebensrealität von Homosexuellen im Iran aktuell aus?

Katayun Pirdawari: Die ist sehr prekär, denn Homosexualität ist im Iran verboten. Es gibt Gesetze, die Homosexuelle mit dem Tod bedrohen.

Gibt es eine subversive Community?

Klar gibt es die. Sie versuchen sich Nischen zu schaffen und treffen sich einfach trotzdem, aber in der Gesellschaft sind sie unsichtbar. Umso wichtiger ist es, auf diese Leute hinzuweisen.

Was heißt das, lebensbedrohliche Gesetze?

Wer lesbisch ist und erwischt wird, bekommt laut Gesetz hundert Peitschenhiebe. Wenn eine Frau dreimal erwischt wird, droht ihr die Steinigung. In so einem repressiven System hat Sexualität dann natürlich nichts mehr mit Genuss zu tun. Niemand kann seine Sexualität genießen, wenn er weiß, dass er deswegen gesteinigt werden könnte.

Wie sieht die gesellschaftliche Praxis aus? Werden Homosexuelle denn angezeigt?

Katayun Pirdawari

1962 in Teheran geboren; 1977, zwei Jahre vor der islamischen Revolution, immigrierte sie nach Deutschland. Sie ist Vorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg (LSVD). Ehrenamtlich ist sie für Amnesty International tätig.

Es braucht nur vier Männer, die einen der Homosexualität bezichtigen, und schon tritt der entsprechende Paragraf in Kraft. Das Problematische dabei ist, dass das schnell instrumentalisiert werden kann. Konkret: Wenn ich einen Kollegen habe, den ich nicht leiden kann, dann verbuche ich ihn als schwul, und er ist weg vom Fenster. So sieht die Praxis aus.

Gibt es auch Menschen, die sich solidarisieren?

Natürlich. Manche helfen bei der Flucht. Aber das ist natürlich auch eine Geldfrage. Flucht kostet Geld, und wer das nicht hat, muss dort bleiben und abwarten.

Sie haben sich im Fall von Samira Ghorbani Danesh sehr engagiert. Sie ist Iranerin und lesbisch – ihr Asylantrag in Deutschland wurde trotzdem abgelehnt. Werden Homosexuelle aus dem Iran nicht als politisch Verfolgte anerkannt?

Das Gesetz ist sehr schwammig formuliert. Deswegen liegt es im Ermessen des Richters. Das ist natürlich problematisch. Samiras Fall ist bei einem Richter gelandet, der über die Gegebenheiten im Iran wohl nicht Bescheid wusste und ihn mit der folgenden Begründung ablehnte: Wenn sie sich im Iran unauffällig verhielte, könne sie wie andere Homosexuelle wunderbar leben. Er könne ihren Freiheitsdrang verstehen, aber dies sei kein Asylgrund. Damit sagt man allen politischen Asylbewerbern, sie sollen sich gefälligst an das System ihres Herkunftslandes anpassen und im Schatten leben.

Laut Asylrecht muss durch sexualwissenschaftliche Gutachten eine irreversible homosexuelle Prägung nachgewiesen werden. Was soll das sein?

Das kann man natürlich nicht. Hinzu kommt, dass AsylbewerberInnen oft in einem sehr homophoben Umfeld leben. Und wer auf dem Papier „irreversibel lesbisch“ ist, ist ja unter Umständen sehr gefährdet. Aber das Einzige, was in den Köpfen existiert, ist die Vorstellung, dass diese Menschen unseren Rechtsstaat ausnutzen wollen.

Wie viele Menschen aus dem Iran beantragen in Deutschland aus diesen Gründen Asyl?

Vielleicht drei bis vier im Jahr. Das sind meist sehr gut ausgebildete Leute. Wieso nimmt ein Land mit großen demografischen Problemen diese Leute nicht einfach auf?

Gerade haben Sie dem Bundesinnenminister einen offenen Brief überreicht, der von fast 2.000 Personen unterzeichnet wurde. Mit welchem Inhalt?

Samira kam vor zwei Wochen auf mich zu und bat mich, ihr zu helfen. Daraufhin verfassten wir diesen offenen Brief. Darin fordern wir Samiras Bleiberecht.

Sie sind Vorstandsmitglied des LSVD, Mitglied bei den Grünen und Amnesty International, also politisch aktiv. Den offenen Brief haben Sie als Privatperson unterzeichnet. Weshalb?

Wenn es um Menschenrechte geht, möchte ich unabhängig sein. Den offenen Brief haben so Menschen aus allen Communitys und allen Parteien unterschrieben. Das hätten sie sonst nicht gemacht.

Christopher Street Day

Die CSD-Parade 2012 beginnt am Samstag um 12 Uhr an der Ecke Gitschiner Straße/Prinzenstraße in Kreuzberg. Den Startschuss geben der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Innensenator Frank Henkel (CDU), die Grünen-Bundestagsfraktionschefin Renate Künast, Berlins Linksparteichef Klaus Lederer, Piratenfraktionschef Andreas Baum und Mieke Senftleben (FDP), die das Band durchschneiden. Insgesamt laufen und fahren 62 Organisationen auf 46 Wagen mit.

Die Route führt dieses Jahr über die Gitschiner Straße bis zur Wilhelmstraße, vorbei an der SPD-Parteizentrale bis zur Niederkirchnerstraße. Dann geht es über den Potsdamer Platz, Glinkastraße und Dorotheenstraße zum Reichstag bis zur Yitzhak-Rabin-Straße, wo die Parade dann ins CSD-Finale am Brandenburger Tor übergeht.

Hier beginnt ab 16.30 Uhr das Programm auf der Hauptbühne, Klaus Wowereits Rede wird für 17.30 Uhr erwartet. Ab etwa 21.30 Uhr legen DJs und DJanes auf und verwandeln den Platz vor dem Brandenburger Tor in eine riesige bunte Party. Der Schluss ist für Mitternacht angesetzt.

Seit wann leben Sie in Deutschland?

Seit 35 Jahren. Zu meiner Familie habe ich leider keinen Kontakt mehr.

Wissen die auch nichts von Ihrem Outing?

Doch. Mein Lesbischsein wurde nicht verurteilt, aber ignoriert. Die wunderten sich eher über meinen „unweiblichen“ Kleidungsstil.

In welcher Form wäre es für Sie heute möglich, im Iran zu leben?

Seit ich politisch aktiv bin, gar nicht. 1989, bevor ich Iran-Aktivistin für Homosexuelle wurde, bin ich als deutsche Staatsbürgerin eingereist, aber das wäre heute nicht mehr möglich. Ich habe diese Sehnsucht, aber ich würde doch lieber noch ein bisschen weiterleben.

Wie sieht Ihr Leben hier in Berlin aus?

Als ich einmal mit meiner Freundin unterwegs war, saß da eine große Gruppe an Menschen mit muslimischer Herkunft, die mich als Lesbe beschimpft und bespuckt haben. Da wurde mir klar, warum die Menschen sich zum Beispiel an den LSVD wenden müssen, weil nämlich innerhalb der Community große Gefahren bestehen.

Weshalb ist das so?

Marginalisierte Menschen geben Erniedrigungen oft weiter. Das ist natürlich nicht immer so. Zum Beispiel bin ich zweien aus dieser Gruppe noch einmal begegnet. Die haben sich dann bei mir für die anderen entschuldigt und betont, sie seien nicht homophob. Für die ist es natürlich schwierig, sich gegen die eigene Community durchzusetzen. Das braucht Aufklärungsarbeit und Beratung für Betroffene und Familien. Was glauben Sie, wie schwer es ist, sich in so einer Community zu outen?

Wie schwer ist es?

In streng gläubigen Familien aufzustehen und zu sagen, man ist homosexuell, das kann auch gefährlich werden. Da würde ich mich auf jeden Fall beraten lassen. Aber homophobe Gewalt erfahre ich natürlich auch von Deutschen und Nichtmuslimen.

Was für Hilfestellungen bietet der LSVD?

Es gibt zum Beispiel die Initiative Miles, die Beratung und Hilfe zur Selbsthilfe für MigrantInnen bietet. Lesben, Schwule und ihre Angehörigen können sich dort informieren.

Am Samstag findet die CSD-Parade statt. Ist das eher Plattform für politische Forderungen oder Raum zum Feiern?

Ich habe vor zwei Jahren eine Aktion initiiert, bei der wir Schilder mit „Stop killing in Iran“ vor unsere Köpfe gehalten haben. So sind wir dann, wie eine Phalanx, bis zum Ende mitmarschiert. Das war sehr politisch, aber medial wurde das nicht wahrgenommen. Wir hatten extra den RBB informiert, aber die interessierten sich nicht für die Aktion. Die wollten nur die feiernde Menge zeigen. Sehr schade. Deswegen lassen wir das dieses Jahr.

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8 Kommentare

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  • D
    dobermann

    zitat:

     

    "...

     

    schwule nazis und schwule antisemiten gibt es in berlin nun wirklich zu hauf.

     

    ..."

     

    ist also nicht einfach. aber so ist es immer.

     

    ich habe beide veranstaltungen über die jahre besucht. beide öfters. der transgeniale csd gefällt mir besser.

     

    bei beiden kann ich aber nicht mit einer reduzierung auf einen aspekt, der dann alles zusammenfasst leben.

    der große kommerz csd ist NICHT auf chauvinismus zu reduzieren und ende der debatte und der transgeniale csd ist NICHT auf die arab ( antifa neuköln ) zu reduzieren und ende.

     

     

    @ eigentlich22 und @ andreas

     

    sollten judenhassen und nazis die paraden dominieren und ich sehe keine chance mehr, dagegen wirken zu können, würd ich auch weg bleiben. nur das ist bei beiden veranstaltungen nicht der fall. so jedenfalls meine beobachtung. also lasst euch nicht von rassisten, die nebenbei auch schwul sind, vertreiben !!!

     

     

    bei der politischen bewertung von leuten ist es egal, welche sexuelle orientierung die haben. leider ist es in der realität nicht so, das schwule angeblich alle links und / oder links-liberal sind.

     

    ich persönlich find es besser, wenn am csd alle schwulen kommen: der konservativen, die linken, die mit geld und partyleute, die mit politik im kopf und die mit fetisch im kopf,.... möglichst viele ( außer rassisten ). denn an dem tag sollte es um die akzeptanz von homo sex und schwulen gehen. für alle gays und lesben und nicht nur für linke gays und lesben.

     

    für grabenkämpfen den rest des jahres aber am csd die 2 paraden das geht schon in ordnung. aber nicht noch ne 3. und ne 4. parade.

  • A
    andreas

    @dobermann

     

    wenn der transgeniale csd eine feste konstane hat, was viele teilnehmer mit dem orga-team verbindet, dann ist es der dezidierte antizionismus. und da steigen dann auch gern die türk/arabisch/kurdischen staubfänger aus dem hinterhof in die o-strasse.

     

    ich hab mich nur gewundert, dass judith butler dieses jahr nicht von den kreuzbergern eingeladen wurde, um mal wieder hamas und hizbulah als "soziale, revolutionionäre" bewegung zu verharmlosen.

     

    schwule nazis und schwule antisemiten gibt es in berlin nun wirklich zu hauf.

  • D
    dobermann

    @ eigentlich22

     

    zitat:

     

    " ...

     

    ich glaube die schwule community in ihrer derzeitigen präsenz hat ein großes, inhärentes problem wenn sich menschen mit solchen einstellungen für sie interessieren.

     

    .. "

     

    schwule sind eben auch nur menschen:))

     

    weder sollte man schwule überhöhen so als: immer gut drauf, immer gut angezogen, immer kulturell interessiert und gebildet sowieso, noch sollte man schwule fertigmachen so als: perverse, kinderschänder, unsportlich und hyterisch, hedonistisch-selbstverliebt und konsumgeil.

     

    es gibt helden , die auch schwul sind und es gibt arschlöcher, die auch schwul sind.

     

    oder frei nach von praunheim: es gibt kein schwules leben - es gibt nur schwulen sex.

     

    so sehe ich das auch.

     

    ps.: bei mega - groß - veranstaltungen, haste leider auch idioten dabei. um so größer die party, um so größer die wahrscheinlichkeit, dort auch idoten zu treffen.

     

    als tip für dich: der transgeniale csd. coolere leute, spannendere strecke und definitiv mit weit weniger arschlochfaktor.

  • T
    tobias

    @Egelhoffer - das ist nunmal leider Alltag für Homosexuelle Paare und das leider in jedem Bezirk unsere ansich tolleranten und schönen Stadt, das es ausschließlich Schwäbische Ökomuttis waren okay, allerdings sind nicht alle offen und tollerant nur weil sie im Pberg leben oder "Ökos" sind.

     

    Zu Eigentlich 22, gut das ich dass nicht mitbekommen habe. Allerdings hoffe ich das dir andere Wagen gezeigt haben das auch innerhalb der "Community" noch viel Bedarf an Arbeit, hinsichtlich Tolleranz und Anerkennung besteht. Auch zu dem dir wiederfahrenen Passt wunderbar das Motto des CSD's " Wissen schaft Akzeptanz.

    Nur weil jemand auf dem CSD teilnimmt und selbst zu einer Minderheit gehört heißt das leider leider nicht auch das dieser Mensch tollerant und Wissen besitzt.

    Schade das du deswegen nicht mehr zum CSD gehen möchtest.

  • E
    eigentlich22

    ich weiß nicht an welcher stelle ich das einbringen soll, da ihr ja eigentlich nicht in klassischer form über den csd berichtet. dennoch möchte ich in irgendeiner form veröffentlichen, was ich heute erlebt habe:

     

    während der letzte wagen des csd berlin am holocaust - mahnmal vorbeifuhr wurde der techno aus respekt für die opfer des völkermordes kurz abgedreht. dies wurde auch durchgesagt. da ging das gekröle los: "scheiß juden! juda verrecke! waren doch nur drei millionen!" (es waren mehr aber so wurde es gerufen.) ich war dermaßen entsetzt etwas derartiges auf einem csd zu hören, dass ich mich sofort entschloss nie wieder an dieser verantstaltung teilzunehmen.

     

    ich glaube die schwule community in ihrer derzeitigen präsenz hat ein großes, inhärentes problem wenn sich menschen mit solchen einstellungen für sie interessieren.

  • D
    dobermann

    @ Claudia Hohmann

     

    zitat: ".... schwäbischen Öko-Muttis ..."

     

    müssen nicht immer ökos sein, auch wenn die so aussehen oder besser es gibt auch leute die sehr weit rechts sind und vom outfit her gekleidet sind wie linksalternative.

     

    es gibt inzwischen auch bei neo nazis tierrechtler, die demos gegen zirkusveranstaltungen organisieren oder einige, wenige hersteller von ökolebensmitteln, die aus dem umfeld einer judenhassersekte aus der schweiz kommen und von ahnungslosen meist in reformhäusern verkauft werden.

     

    ich hab mal eine kundgebung am potsdamerplatz von leuten gesehen, die gegen die sog. "schulmedizin" sind und sich als anhänger einer von ihnen als "neue germanische medizin " bezeichneten richtung ausgaben. die sahen aus wie 68iger.

  • RE
    Rudolf Eglhofer

    Ach ja, Claudia, und die "schwäbischen Mütter" haben die Beiden dann nach iranischem Vorbild am nächsten (Spielzeug)Kran aufgehängt?

    Wenn Du wenigstens eine Quelle benennen könntest wären Deine stereotypen Anschuldigungen vielleicht sogar glaubwürdig.

  • CH
    Claudia Hohmann

    Im neuen Prenzlauer Berg werden Schwule auch wieder diskriminiert. U. a. ist es ja vor ca 2 jahren durch die internationale (schwule) Presse gegangen, dass sich am Helmholtzplatz ein Lynchmob aus schwäbischen Öko-Muttis gebildet hatte, weil sich 2 Schwule öffentlich geküsst haben.