QUERSPALTEN: Die zwei Seelen des Friedrich-Adolf Jahn
■ Bonner Bauausschußvorsitzender fordert drastische Mieterhöhungen im Osten
Ein Lobbyist ist, sagt ein zu scharfer Formulierung neigender Kollege, „jemand, der andere unterhalb der juristischen Ebene besticht“. Das geht der Dame am Nebenschreibtisch zu weit: „Ein Lobbyist, das ist einer, der andere berät und sich Interessenvorteile verschafft“. Friedrich- Adolf Jahn ist christdemokratischer Bundestagsabgeordneter und in dieser Funktion in Bonn Vorsitzender des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Bis vor kurzem war er außerdem Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundbesitzer. Er stand der CDU-Mittelstandsvereinigung vor und diente dem Bauministerium drei Jahre lang als Staatssekretär. Lobbyist? Eher eine konsequente Karriere, bei der sich politisches Mandat und Freizeit, gutes Leben und harte Arbeit ganzheitlich verbinden.
Herr Jahn vertritt auch eine konsequente Haltung. Sein Verlangen nach drastischer Anhebung der Mieten in den neuen Bundesländern ist nicht nur längst überfällig, sondern — sicher zur Freude seiner Fraktion — auch ein Geistesblitz, eine genial schlichte Forderung, die nachgerade danach schreit, im nächsten Bundestagswahlkampf plakatiert zu werden. Gibt es doch im Osten sicher mehr arme, darbende Hausbesitzer als knauserige Mieter, die auf ihren vollen Geldsäcken sitzen und sich störrisch weigern, den Aufschwung Ost durch einen angemessenen Obulus für ihre Luxusherbergen zu bezahlen.
Aber befragen wir doch statt der Kollegen ein kluges Buch zum Wesen des „Lobbyisten“, an dem so gar nichts Ehrenrühriges ist. Im Gegenteil, ein altes Wort, eine ehrwürdige Erscheinung, ein internationaler Begriff, englisch, germanisch, lateinisch geläufig als lobium, lobia, laubia = Galerie, bedeckter Gang, Wandelhalle, also Bauwesen, im Kapitol in Washington wie in der Londoner Downing Street. Lobbyismus, weiß das Lexikon außerdem, „bezeichnet Versuche von Vertretern von Interessenverbänden, durch Einwirkung auf Parlamentarier bzw. Kontakte mit Regierungs- und Verwaltungsmitgliedern Einfluß auf Gesetzgebung und Verwaltung zu nehmen.“
Alles klar, nur: Wie nennt die deutliche Sprache jemanden, der in der schwierigen Situation ist, gleichzeitig zwei Seelen in seiner Brust zu beherbergen? Und der sicher mit faustischer Anstrengung täglich bemüht ist, den Interessenvertreter und den Parlamentarier darinnen nicht miteinander kollidieren zu lassen? Da fehlen die Worte. Aber allein diese sicher übermenschliche tägliche Anstrengung des Friedrich-Adolf Jahn verdient es, auch unabhängig von seiner offensichtlich mit gutem Gewissen zu verantwortenden Forderung, öffentlich entsprechend gewürdigt zu werden. Heide Platen
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