piwik no script img

Putschversuch in Nigeria gescheitert

■ Aufständische Militärs besetzen Rundfunkgebäude und geben Ausgliederung von fünf Bundesstaaten bekannt / Präsident Babangida dementiert / Schwere Gefechte in Lagos / Grenzen und Flughäfen geschlossen / Konflikt um Vorherrschaft des islamischen Nordens

Lagos/Paris (afp/dpa/taz) - Der seit 1985 den westafrikanischen Staat Nigeria regierende Staats- und Regierungschef, General Ibrahim Babangida, ist - im Gegensatz zu anderslautenden Meldungen - offenbar doch nicht von Militäreinheiten gestürzt worden. Augenzeugen berichteten noch am Sonntag mittag von schweren Gefechten nahe dem Hauptquartier der Streitkräfte in der Hauptstadt Lagos. Nach neuesten Informationen haben Regierungstruppen die Aufständischen aus dem von diesen besetzten Rundfunkgebäude vertrieben und die Anführer umstellt. Die Lage in Lagos ist auch weiterhin gespannt, Grenzen und Flughäfen sind geschlossen.

Über Radio Nigeria hatte am Sonntag morgen ein Major Gigi Oguaza Oka erklärt, er habe die „diktatorische und korrupte“ Regierung gestürzt. Der Major sagte, er verteidige die Rechte der christlichen Bevölkerung im Süden und in der Mitte des Landes, die unter der Vorherrschaft der moslemischen Bevölkerung im Norden Nigerias litten. Die Putschisten, die allem Anschein nach aus dem „mittleren Gürtel“ des Landes kommen, hatten außerdem die formale Ausgliederung von fünf der 19 Bundesstaaten aus der Republik Nigeria bekanntgegeben. Man wolle damit garantieren, hieß es, daß diese fünf nördlichen Staaten ihre „feudalistische und aristokratische Vorherrschaft“ über den Rest des Landes aufgeben. Auch wolle man verhindern, daß Babangida sich zum Präsidenten auf Lebenszeit mache.

Babangida war selbst durch einen unblutigen Putsch an die Macht gekommen. Er hatte am 27. August 1985 seinen Vorgänger, Generalmajor Muhammadu Buhari, durch einen Staatsstreich gestürzt. Babangida, ein Fulani und Moslem, hatte für 1992 Wahlen und mit einem Strukturprogramm die Überwindung der Wirtschaftsmisere in Aussicht gestellt.

In der Rundfunkbotschaft der Putschisten wurde auch die sofortige Ablösung des „Militärischen Regierungsrates“, des obersten Entscheidungsgremiums des Regimes, durch einen „Nationalen Regierungsrat“ verkündet. Die Nationalgarde, die Babangida den Putschisten zufolge letztes Jahr eingerichtet hatte, wurde ebenfalls für aufgelöst erklärt. Auch wurde die Verordnung ausgesetzt, nach der die öffentliche Sicherheit gefährdende Personen ohne Verfahren für sechs Wochen inhaftiert werden können.

Das an Bodenschätzen reiche Nigeria zählt heute etwa 120 Millionen Einwohner. Etwa die Hälfte der Bevölkerung - vor allem aber der Norden des Landes - ist islamisch geprägt. Gut ein Drittel der Bevölkerung bekennt sich zu unterschiedlichen Formen des Christentums. Aber auch afrikanische Religionen sind weit verbreitet. Seit Jahren leidet das Land wegen gesunkener Ölpreise unter einer schweren Wirtschaftskrise. Statt demokratisch gewählter Politiker regieren seit 1983 Militärs den immer wieder von ethnischen Unruhen erschütterten Vielvölkerstaat. Ausdruck solcher Rivalitäten war der Bürgerkrieg um Biafra von 1967 bis 1970, der mindestens eine Million Menschenleben forderte. Zu Beginn der 80er Jahre kam es wiederholt zu schweren Zusammenstößen zwischen strenggläubigen und liberalen Moslems.

1986 erhielt mit dem Nigerianer Wole Soyinka zum ersten Mal ein Afrikaner den Literaturnobelpreis. Auch Afrikas berühmteste Musiker stammen aus Nigeria: „King“ Sunny Ade und Fela Kuti.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen