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Putsch der „Jungtürken“

Tito-Generäle durch serbische Nationalisten ersetzt  ■ Von Roland Hofwiler

Das serbische Massenblatt 'Politika Ekspres‘ frohlockt bereits: „Das war erst der Anfang, bald werden noch einige Dutzend Generäle mehr in die Rente geschickt.“ Glaubt man dem Belgrader Blatt, so habe man nun dank der „zukunftsweisenden Politik“ des Präsidenten Slobodan Milosevic endlich „wahre Serben“ als Armeekommandanten für eine „starke serbische Armee“. Und die Tageszeitung 'Jedinstvo‘ jubelt: „Endlich ist der Bolschewismus auch unter den Streitkräften besiegt.“ Verantwortlich für die große Armeesäuberung in der letzten Woche war der 46jährige General Vuk Obradovic. Die von ihm geführte Gruppe der „Jungtürken“ hat die im Titoismus erzogenen Spitzenmilitärs ersetzt.

Vuk Obradovic ist kein Unbekannter. Er ergriff nämlich bereits im vorigen Sommer Partei für den Cetnik- und Freischärlerführer Vojislav Seselj, als dieser vor den Unabhängigkeitserklärungen Sloweniens und Kroatiens ein militärisches Eingreifen gegen die „slowenischen und kroatischen Separatisten“ forderte. Zum ersten Mal wird sein Name jedoch mit einer „paramilitärischen Einheit“ Anfang der 80er Jahre in Verbindung gebracht, die damals Demonstrationen von Albanern im Kosovo blutig niederschlug.

Eine ähnliche Vorgeschichte wird auch dem 54jährigen Zivota Panic, nun neuer Verteidigungsminister Neu-Jugoslawiens, nachgesagt. Auch er sorgte einst im Kosovo für „Ruhe und Ordnung“, wenngleich nur auf mittlerem Offiziersrang. Seinen Vorgesetzten ging damals sein radikaler serbischer Nationalismus nämlich zuweit. Ein Schicksal, das vor zehn Jahren auch die Offiziere Talic, Nikovic und Perisin teilten. „Nur weil wir Serben waren, die sich zum wahren Serbentum bekannten“, so General Perisin kürzlich in einem Radiointerview. Heute tragen er, Talic und Nikovic als die Kommandierenden über die serbischen Einheiten die Verantwortung im bosnischen Krieg.

Eine Verantwortung, die sich mit ihnen auch andere serbische „Feldherren“ teilen wollen. So meldet der „Vukovar-Befreier“ und Freischärlerführer Zelko Raznjatovic (Arkan) bereits Anspruch auf einen Militärtitel an, da er es ja schließlich gewesen sei, der Anfang April die erste bosnische Stadt „vom kroatischen und moslemischen Terror befreite“. Vom Massaker unter der muslimischen Zivilbevölkerung in Bjeljina spricht Arkan jedoch nicht. Sein Kampfgefährte Seselj dagegen will als Politiker und nicht als Militär seine Karriere weiterführen. Aber auch er kündigte an, er habe „fähige Leute“, die eigentlich aufgrund ihrer „großen Verdienste für die Verteidigung der serbischen Erde“ ein Anrecht darauf hätten, als neue Generäle die neue jugo-serbische Armee zu leiten.

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