Das Portrait: Putsch-Polizist
■ Rodolfo Stange
Es gibt nur wenige Menschen auf der Welt, die so sehr gehaßt wurden wie Rodolfo Stange. Der chilenische General, einst Mitglied der Regierungsjunta des Putschisten Augusto Pinochet, wird heute in einer Woche seinen Posten als Polizeichef Chiles niederlegen. Er gilt als Verantwortlicher für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen im Chile der Diktatur.
Noch vor gut einem Jahr hatte die Forderung nach dem Rücktritt Stanges eine ernsthafte Konfrontation zwischen dem chilenischen Militär und der zivilen Regierung des Präsidenten Eduardo Frei provoziert.
Stange, heute 69 Jahre alt, war 1985 von Pinochet selbst als Chef der Carabinieri eingesetzt worden. Auslöser für den Wechsel an der Spitze der Polizei war ein Mord: Am 30. März 1985 wurden die Leichen dreier Mitglieder der Kommunistischen Partei gefunden – sie waren enthauptet worden. Es war offensichtlich, daß hier die staatlichen Terrororgane zugeschlagen hatten – was allerdings gar nicht in das Bild paßte, das Juntachef Pinochet zu jener Zeit von Chile vermitteln wollte. So wurde eine juristische Aufarbeitung des Falles angekündigt, und Pinochet entließ seinen Polizeichef und ernannte Stange zum Nachfolger – eine leere Geste, die die Unschuld der obersten Militärführung dokumentieren sollte.
Der Mord gilt bis heute als einer der spektakulärsten Fälle der ganzen Diktatur – dementsprechend groß war auch das Interesse am Prozeß. Und als der am 31. März letzten Jahres, neun Jahre und einen Tag nach dem Mord, zur Verurteilung von 15 beteiligten Polizisten führte, wuchs auch der Druck auf den immer noch amtierenden Polizeichef Stange: Er habe, klagte Richter Milton Juica, die Ermittlungen nachhaltig behindert.
Das wiederum bewog Präsident Frei dazu, vehement Stanges Rücktritt als Polizeichef zu fordern – andernfalls werde er ihn absetzen. Das aber ist nach der noch immer Rodolfo Stange tritt endlich als chilenischer Polizeichef abFoto: José Giribas
gültigen Pinochet-Verfassung gar nicht so einfach – der Präsident hat dazu praktisch keine Möglichkeit. Der Konflikt endete zunächst mit einigen Wochen „Sonderurlaub“ für Rodolfo Stange und der Untersuchung der Vorwürfe durch ein Militärgericht. Nach drei Monaten war Stange wieder im Amt, im Juni diesen Jahres erklärte die Militärjustiz die Vertuschungsvorwürfe gegen ihn für unbegründet.
Jetzt hat Stange seinen Rücktritt eingereicht – „aus persönlichen Gründen“, wie es hieß. pkt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen