Putin gibt Nachfolger bekannt: Medwedjew, der Getreue
Russlands Staatschef Putin hat sich für Dmitri Medwedjew als Nachfolger ausgesprochen. Der Gazprom-Manager und Vize-Premier gilt als Gefolgsmann Putins.
MOSKAU taz Der Zauderer Wladimir Putin hat sich entschieden. Nach monatelanger Geheimnistuerei und Rätselraten präsentierte der Kremlchef gestern den ersten stellvertretenden Vizepremier Dmitri Medwedjew als seinen Wunschkandidaten und Nachfolger im Präsidentenamt.
Medwedjew tritt nun als Präsidentschaftskandidat der Kremlpartei "Vereinigtes Russland" am 2. März an. Nach zwei Amtsperioden darf Präsident Putin gemäß russischer Verfassung nicht noch einmal kandidieren. Als Waldimir Putin gestern im Fernsehen der Öffentlichkeit den designierten Thronprätendenten vorstellte, erweckte der Kremlchef jedoch den Eindruck, als sei die Auswahl ein routinemäßiger Vorgang gewesen. Der Kandidat habe seine "volle und ganze Unterstützung", meinte Putin. Wenn der noch amtierende Kremlchef nicht doch noch mit einem anderen Szenario aufwartet, gilt der 42-jährige Jurist bereits als gewählt. Laut Umfragen ist die Mehrheit der Bürger bereit, jedem beliebigen vom Kremlchef empfohlenen Kandidaten die Stimme zu geben.
Medwedjew ist ein loyaler Diener seines Herrn, der mit Putin seit 16 Jahren zusammenarbeitet. Als dieser 1999 nach dem Rücktritt des damaligen Präsidenten Boris Jelzin zum mächtigsten Mann Russlands aufstieg, gehörte auch Medwedjew schon zum engeren Machtzirkel.
Der Nachfolger stammt aus einer Petersburger Professorenfamilie und hebt sich durch sanftes Auftreten ein wenig von der Umgebung des Präsidenten ab. Im Umfeld des Kremlchefs dominieren die sogenannten Silowiki, Angehörige der verschiedenen Sicherheits- und Geheimdienststrukturen, denen Medwedjew nicht angehören soll. In seiner Funktion als Vorsitzender des Aufsichtsrats beim Gasgiganten Gazprom liquidierte Medwedjew gleich zu Beginn der Putin-Ära den unabhängigen TV-Sender NTW, und auch als Chef der Präsidialadministration betrieb er den Rückbau des politischen Systems nach autoritären und zentralistischen Vorbildern.
An der politischen Ausrichtung Russlands wird sich unter Medwedjew daher nicht viel ändern, die Umgangsformen gegenüber dem Westen könnten gegebenenfalls etwas ziviler werden. Er zählte lange Zeit zu den Zentristen im Kreml, die trotz Abgrenzung darauf bedacht waren, die Konfrontation mit Europa und den USA unterhalb der Schadensgrenze zu halten. Wladimir Putin erwählte Medwedjew, weil er in ihm einen getreuen Gefolgsmann hat. Mit einem Präsidenten Medwedjew hält er sich die Option offen, in der russischen Politik weiterhin die entscheidende Rolle wahrzunehmen. Auch die miteinander zerstrittenen Kremlclans können daher mit dieser Personalentscheidung leben. Keine der Interessengruppen aus Öl-, Gas- und Rüstungsindustrie muss jetzt fürchten, ins Hintertreffen zu geraten. Putins Wahl erfolgte indes nicht so sehr im Interesse des Landes, das eine dringende Modernisierung nötig hätte. Ausschlaggebendes Motiv scheint vor allem die Sicherung der eigenen Person und die des Machterhalts gewesen zu sein.
Als Vizepremier war Medwedjew mit der Durchführung "nationaler Projekte" im Wohnungsbau, Bildungs- und Gesundheitswesen sowie der Landwirtschaft betraut. Hier stach er nicht durch besondere Initiative und Fantasie hervor. Für das byzantinische Gefolgschaftswesen Russlands zählt dies jedoch gerade als Qualifikation für Führungsaufgaben.
Doch noch ist nicht das letzte Wort gesprochen. Denkbar wäre auch, dass Putin, der Überraschungscoups schätzt, auch den stellvertretenden Vizepremier Sergej Iwanow als zweiten Kandidaten später noch ins Rennen schickt. Auch er gilt als Kompromisskandidat zwischen den Kremlclans. Dies hätte den Vorteil, dass der Kreml die Präsidentschaftswahlen dem Westen als echte Entscheidungswahl verkaufen könnte.
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