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Puppenguerilla probt Kaufhausaufstand

■ Im MIB fanden zwei bremisch-britische Musiker-Duos geräuschvoll zum Quartett

Zwei britische Musiker hatte die MIB zur Juni-Ausgabe ihrer Improvisationen-Reihe geladen, den Gitarristen John Russel und den Drummer Roger Turner. Beide sind seit mehr als zwanzig Jahren in der Szene aktiv. Russell spielte u.a. mit Barry Guy, Evan Parker, Toshinoro Kondo und Paul Lovens, Turner mit Lol Coxhill, Alan Silva, Derek Bailey, ebenfalls Kondo und Phil Minton, zu dessen aktuellem Quartett er auch gehört. Beide Musiker sind zudem langjährige Duo-Partner.

Doch bevor das britische Gast-Duo zu hören war, stimmten zunächst die beiden Bremer Bläser Nils Gerold (an Klarinette und Flöten) und Uli Sobotta (wie gewohnt am Euphonium) die kleine Zahl der ZuhörerInnen ein, die es bei dem Sommerwetter ins Buntentor-Viertel verschlagen hat. In den drei eher fragmentarisch angelegten Improvisationen lotete das Gastgeber-Duo vorwiegend Klangflächen aus.

Sobotta wechselte zwischen grummelnden Baßtönen und helleren Hornsounds, manchmal fanfarenartig verdichtet, während Gerold mit überblasenen Tremolos und Flageolettfolgen Kontrapunkte setzte. Seine zischigen Flötentöne hörten sich momentweise wie eine eierige Aufnahme des frühen Kraftwerk-Stücks „Ruckzuck“an. Die Beschränkung auf ein, zwei musikalische Ideen sorgte für eine angenehme Dramatik.

Die erste Improvisation der britischen Gäste klang dagegen wie ein Aufstand in der Spielzeugabteilung eines großen Kaufhauses. Es klöterte, schepperte, klimperte und quietschte, als wenn sich eine Guerillatruppe von Puppen der Spielzeuginstrumente bemächtigt hätte und nun zu einem anarchischen Tanz aufspielte. Russell schrammelte auf seiner akustischen Gitarre – einem Instrument aus den 30er Jahren.

Währenddessen trommelte Turner mit langen, dünnen Metallstäben auf sein sparsames Drumset ein und sorgte mit einer Vielzahl von diversen Gerätschaften, von der Blechdose bis zur Eisenkette, für eine Fülle von Klangeffekten. Die weiteren Improvisationen, in denen dann Gerold und Russell sowie Sobotta und Turner jeweils ein Duo formierten, bevor alle zum Quartett zusammenfanden, waren eher von einem suchenden Gestus und geräuschiger Spielweise geprägt.

Dabei überzeugten Sobotta/Turner in den verdichteten Momenten ihres Zusammenspiels am meisten. So, wenn Sobotta sein Euphonium in schnelle, laute Tonfolgen trieb – von Turner mit heftigen, peitschenden Schlägen und industrial-artigen Metallsounds angetrieben. Im Quartett blieben die klangdramatischen Angebote Gerolds, der langanhaltende, zum Teil oszillierende Überblastöne auf seiner Klarinette blies, leider weitgehend unaufgegriffen.

Der Verbleib im Geräuschigen, die strikte Vermeidung harmonischer Momente oder rhythmischer Muster stellt sich immer wieder als Beschränkung der musikalischen Möglichkeiten heraus, die auf Dauer doch ermüdend wirkt.

Eine weitere Öffnung der Improvisationen-Reihe gegenüber anderen Improvisationsauffassungen könnte vielleicht interessante Akzente setzen und solche Ermü-dungsgefühle verhindern. Arnaud

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