Punkkünstlerin Teri Gender Bender: Auch Engel metzgern ihre Gitarren
Teresa Suárez, Hohepriesterin des mexikanischen Punk, und ihre Band Le Butcherettes präsentieren auf Tour ihr Album „A Raw Youth“.
Dass die Hohepriesterin des mexikanischen Garagenpunk, Teri Gender Bender, früher ständig „Engel“ genannt wurde, ist eigentlich kaum vorstellbar. Denn die Utensilien, die Teresa Suárez auf der Bühne gegen alles Chauvinistische in Stellung bringt, sind alles andere als engelsgleich.
Bei Konzerten ihrer Band Le Butcherettes sind tote Schweinsköpfe und mit Kunstblut verschmierte Kleider des Öfteren anzutreffen. Dass Suárez so plakativ mit Themen wie Tod und Feminismus umgeht, hat allerdings nichts mit Radical Chic zu tun, es ist schlicht und einfach Teil ihrer kulturellen Prägung.
1989 in Denver, Colorado, im Westen der USA geboren und 13 Jahre ihres Lebens mit der mexikanischen Mutter und dem spanischen Vater dort aufgewachsen, versteckte sie ihre familiären Hintergrund. In der Schule schämt sie sich für ihren spanischen Akzent. Als ihr Vater unerwartet stirbt und die Familie nach Mexiko zieht, sieht sich Suárez das erste Mal mit ihren mexikanischen Wurzeln konfrontiert. Zuvor fühlte sie sich nirgendwo zugehörig.
Punk rettete ein Menschenleben
Pop ist die Rettung: Suárez entdeckt im Teenageralter die Punkszene Guadalajaras für sich. In dieser Phase begreift sie auch, was es bedeutet, in Mexiko zu sein. Der Sexismus gegenüber Frauen erscheint ihr dort offener und brutaler. Auch der Tod ist in der Wahlheimat allgegenwärtig und gehört zur Kultur. „Mein Opa hat meine Mutter immer zu Leichenschauen mitgenommen – es ist völlig normal, dass man in Mexiko schon als Kind etwas über den Körper ohne Seele erfährt“, erklärt Suárez.
Eingebrannt habe sich ihr auch der charakteristische Geruch Guadalajaras. Dort rieche es nach Fleisch, sei es aus den Einkaufstüten im Bus oder in den engen Gassen. Ebenso gehören Kriminalität und die Strukturen der Drogenkartelle zum Alltag. Trotzdem gewöhnt sich Suárez an die neue Umgebung, auch wenn sie lieber kein Engel sein möchte. So weigert sie sich, die Folktales ihrer mexikanischen Großmutter zu glauben, nach denen ihr Körper einen Engel beherbergen muss, da sie in den Morgenstunden geboren ist.
Teri Suárez
Mit 15 Jahren eignet sie sich ihren Künstlernamen Teri Gender Bender an. Mit ihm möchte sie männliche und weibliche Energien vereinen und zu ihrer eigenen Person werden. Die Last, die ein Familienname über Generationen in sich trägt – all das soll für ihre Wahrnehmung irrelevant sein. Auch der eigentümliche Name ihrer Band Le Butcherettes, die sie mit 17 Jahren gründet, hat Gender-Bezug.
Frauen sind kein Schlachtvieh
Er verweist auf das herablassende Gefühl, wenn eine Frau als Stück Fleisch wahrgenommen wird. Die Arbeit des Butchers, also Metzgers, der beim Schlachten bestimmte Körperteile der verwerteten Tiere aussortiert und wegwirft, interpretiert Suárez als Aufbrechen von geschlechtsbezogenen Vorurteilen und setzt es mit der Beseitigung dieser gleich.
Als der US-Musiker Omar Rodriguez Lopez – bekannt durch Post-Hardcore-Bands wie The Mars Volta und At the Drive-In – Suárez 2011 bei einem Konzert in Guadalajara erlebt, geht alles ganz schnell. Selbst ein Stromausfall bremst Gender Bender an jenem Abend nicht. Nur mit Schlagzeugbegleitung schreit sie das gesamte Set der Texte, was die Zuschauer begeistert und die anderen Bands jenes Abends dazu bringt, ihre Auftritte abzublasen.
Le Butcherettes: „A Raw Youth“ (Ipecac/PIAS/Rough Trade); Live: heute, 22.9. Berlin „Cassiopeia“, 23.9. Köln „Artheater“, 24.9. Hamburg „Reeperbahn Festival“, 1.10. Stuttgart „Kellerclub“, 4.10. München „Kranhalle“
Rodriguez Lopez erkennt Suárez’ Potenzial und nimmt sie mitsamt Band unter Vertrag. Die Zusammenarbeit intensiviert sich noch, seit er ihr Produzent ist und gelegentlich an ihrer Seite Bass spielt.
Dass Le Butcherettes seit fast zehn Jahren durch die Welt touren, empfindet Teri Gender Bender als „herrliche Achterbahnfahrt“. Sie habe nie damit gerechnet, dass sie einmal mit Hilfe ihrer Musik unterwegs sein könne. Auch andere Chorknaben des Rock sind inzwischen auf Suárez aufmerksam geworden. Auf dem letzten Album „A Raw Youth“, veröffentlicht 2015, sind unter anderem Iggy Pop und John Frusciante (ehemals Red Hot Chili Peppers) mit von der Partie. Der Mainstream konnte die ungestüme Energie der Gender Bender bisher nicht einhegen. Denn die Power, die von ihrem Gitarrenspiel ausgeht, und dazu noch ihr puppenhaftes Gesicht – wirken einschüchternd und bedrohlich zugleich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag