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Punk-HipHop-Kollektiv Irie RévoltésStimmungskapelle für die Revolte

"Irie Révoltés" genießen in der Aktivisten-Szene einen sagenhaften Ruf. Erfolgreich bringen sie ihre politischen Botschaften an die Fans. Und die gehen auf den Konzerten richtig ab.

"Wir setzen alles in Bewegung": Das Punk-HipHop-Kollektiv Irie Révoltés. Bild: promo

Gewöhnlich läuft das doch so: Politiker machen Politik. Musiker machen Musik. Manchmal ist das anders, dann spielen Musiker auch mal einen politischen Song oder treten bei einer Wahlkampfveranstaltung auf, erzählen was in einer Talkshow oder engagieren sich sozial.

Bei Irie Révoltés läuft das anders und zwar grundsätzlich. "Bei uns gehört das zusammen", sagt Carlito, "die Musik und die Politik." Carlito ist ein Neuntel von Irie Révoltés. Das ist wichtig zu wissen, sehr viel wichtiger jedenfalls als sein Nachname. Denn Carlito mag einer von drei Sängern der Band sein und auf dem neuen Album "Mouvement Mondial" ausführlich zu Wort kommen, mehr zu sagen als die anderen acht Neuntel hat er aber auch nicht. "Nächtelang diskutieren wir manchmal, bis wir eine Lösung finden", erklärt Mal Élevé, ebenfalls Sänger, ebenfalls ein Neuntel von Irie Révoltés und außerdem Carlitos Bruder, "wir sehen uns als Kollektiv."

Dieses Kollektiv hat sich, seit Irie Révoltés vor zehn Jahren in Heidelberg gegründet wurden, unter Politaktivisten einen nachgerade sagenhaften Ruf erarbeitet. Mit einer vor allem live ansteckend explosiven Mischung aus Reggae, HipHop und Punk. Mit kämpferischen Texten, mit der Unterstützung basisdemokratischer Initiativen und nicht zuletzt mit unzähligen Soli-Konzerten hat man sich einen Status erspielt, wie ihn zuletzt vielleicht Ton Steine Scherben genossen.

Das Kollektiv auf Tour

Die "Mouvement Mondial"-Tour von Irie Révoltés: 24.9. Hamburg, 27.9. Nürnberg, 28.9. Marburg, 29.9. Berlin, 1.10. Stuttgart, 4.10. Kiel, 6.10. Hannover, 7.10. Bochum, 8.10. Freiburg, 9.10. Heidelberg, 25.10. München, 26.10. Köln, 27.10. Reutlingen, 11.12. Mannheim.

Wenn Irie Révoltés nun wieder durch die Lande reisen, dann wird das wie üblich keine reguläre Tournee: Gern verbindet die Band ihre Auftritte mit Aktionen, organisiert spontane Demonstrationen und kleine Proteste. Auch die abendlichen Konzerte tragen Züge einer Propaganda-Veranstaltung: Nicht nur dürfen sich Projekte und Initiativen mit Ständen präsentieren, auch auf der Bühne erklärt die Band gern ausführlich, gegen was der folgende Song denn nun agitiert oder was er propagiert. Und wer einen funktionstüchtigen Rollstuhl mitbringt und für den von Mal Élevé mit gegründeten Verein "Rollis für Afrika" spendet, der darf umsonst ins Konzert.

Das allerdings würde kaum funktionieren, wären die Lieder, die zwischen den Ansagen aufgeführt werden, nicht unverschämt eingängig und rhythmisch einfallsreich. Sind Irie Révoltés, die "Glücklichen Aufständischen", vor allem eine Stimmungskapelle für die Revolte? "Mehr oder weniger", grinst Mal Élevé. Und sein Bruder ergänzt: "Die Leute kommen erst mal, weil sie wissen, dass es bei uns abgeht. Dann aber kriegen sie mit, worum es noch geht. Wir bringen sie dazu, sich zu engagieren, sich zu bewegen."

Da ist es, das Lieblingswort von Irie Révoltés: Bewegung. "Ich habe das Gefühl, dass wir etwas bewegen können", sagt Schlagzeuger Felix. Man sehe sich, sagt Mal Élevé, "als Teil einer Bewegung, die versucht, die Welt gerechter zu machen". Die Bewegung findet sich bereits im Titel ihres des aktuellen Albums "Mouvement Mondial", aber auch in schöner Regelmäßigkeit in den Songtexten, die in Deutsch und Französisch gehalten sind, weil die beiden singenden Brüder mit diesen beiden Sprachen aufgewachsen sind. Da heißt es dann: "Wir setzen alles in Bewegung". Oder: "Wir bleiben in Bewegung."

"Solche Schlagworte, mögen sie auch ausgelutscht sein, braucht man", meint Felix. In den drei Minuten, die ein Popsong dauert, kann man die Welt eben nicht erklären. Die Lieder sind nicht Analyse, sondern vor allem Seelenmassage, Motivationshilfe. Politische Inhalte müssen aber auch deswegen bisweilen radikal verkürzt werden, weil in der Band selbst, die mittlerweile verteilt in ganz Deutschland lebt, ein weit gefächertes politisches Spektrum vertreten ist.

"Ich persönlich würde mich als Anarchisten bezeichnen", sagt Mal Élevé, was sich als "Der Unartige" übersetzt, "aber andere in der Band sind das ganz entschieden nicht." Wie um die Aussage des Sängers zu illustrieren, ergänzt der eigene Bruder: "Ich halte gar nichts von solchen Einordnungen. Der Grundkonsens der Band ist bestenfalls: Wir sind gegen Schubladen. Links ist auch schon so eine Schublade."

Auch ohne Schubladen geht es in den Songs, die die Welt in Bewegung setzen sollen, dann bisweilen recht konkret um illegale Immigranten, politische Utopien oder den bösen Kapitalismus. Wichtiger aber ist Irie Révoltés, dass ihre Musik einen kämpferischen Grundton transportiert, dass sie klarmacht, dass politische Basisarbeit nicht sauertöpfisch sein muss. Die bereits Bewegten sollen so gestärkt werden in ihrem Bemühen um eine bessere Welt, die bislang Inaktiven aktiviert werden, in Bewegung gesetzt eben.

Glaubwürdigkeit und Kommerz

Bei solch einer engen Verbindung zwischen Politik und Pop können allerdings auch allerhand Verwerfungen auftreten. Es ist ein ständiges Balancieren zwischen Kommerz und Glaubwürdigkeit, zwischen Ausverkaufsvorwürfen und der Notwendigkeit, dann doch auch mal Geld zu verdienen mit der Musik. Bis heute, trotz des unübersehbaren Erfolgs, aber aufgrund einer weitestgehend möglichen Verweigerung gewöhnlicher Vermarktungsstrategien, muss mehr als die Hälfte der Band immer noch in Nebenjobs dazuverdienen.

Trotzdem gäbe es da, sagt Felix, bisweilen "unrealistische Erwartungen" aus der linken Szene. Wenn der Eintritt zum Konzert nicht zum Spottpreis zu haben ist, wenn sie keine Zeit haben, zum Benefiz anzutreten: "Dann kommen Vorwürfe", sagt Mal Élevé, "man kann es nicht jedem recht machen." Wären sie physisch dazu in der Lage, könnten Irie Révoltés "fünfzig Soli-Konzerte jeden Tag" spielen, schätzt Carlito, so viele Anfragen gehen ein.

Um möglichst viele davon befriedigen zu können, hat man eigens eine Unterabteilung gebildet. Im Falle eines Falles kommt dann nicht die ganze Band, sondern nur das Soundsystem, also ein DJ, dazu Sänger und Rapper. "Instrumentalisiert werden, das ist Alltag", sagt Mal Élevé, "aber das ist schon okay."

Die Widersprüche symbolisiert niemand so wie Schlagzeuger Felix. Denn der hat neben seinem Job hinter den Trommeln auch noch die Aufgabe übernommen, über die wirtschaftlichen Belange der Band zu amten. Er ist, man muss es wohl so sagen: der Manager von Irie Révoltés. Dass das Management Teil der Band bleibt, dass diese Aufgabe nicht nach außen vergeben wird, fügt sich in den basisdemokratischen Anspruch, in der Pop zur Politik findet.

Dass man überhaupt einen Manager braucht, ist ein Zugeständnis an die radikalkapitalistischen Zustände im Musikgeschäft. Aber wenn Irie Révoltés dereinst ihre Mission erfüllt haben, wenn die Bewegung erst in Gang gekommen ist, wenn diese Welt nicht nur besser, sondern sogar die allerbeste geworden ist, dann wird Felix wieder nur der Schlagzeuger von Irie Révoltés sein. Denn dann wird es überhaupt keine Manager mehr geben.

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