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■ Puffs in BerlinPolizei stößt mit Vorliebe bei anrüchigen Bordells zu

Am Mittwoch machte die Polizei seltsamerweise eine Razzia im „Tutti“ – Schönhauser Allee. Es gehört einem Bordellkettenbesitzer, der außerordentlich gute Kontakte zur Behörde hat. Während die männlichen Journalisten ausharren mussten, wurde ich des „Tatorts“ verwiesen. Von den Mädchen wurde keines festgenommen: Alle, die dort anschaffen gehen, haben eine Arbeitserlaubnis. Bei fast 1.000 Bordellbetrieben – und über 10.000 Prostituierten – beschränkt sich die Berliner Polizei meist auf die Heimsuchung jener Puffs, aus denen ihnen Klagen zu Ohren kommen. Wenn zum Beispiel ein Barbesitzer mit „seinen“ Mädchen allzu rüde oder geschäftstüchtig umgeht (bei Abgaben von über 50 Prozent spricht die Polizei von „Ausbeutung“), stürmt sie seine Bude so oft, bis er aufgibt. Ausnahmen wie am Stuttgarter Platz bestätigen die Regel. Dort hat ein Barbesitzer, der sich gerne als Berufsberliner aufspielt, derart viele Kontakte „nach oben“, außerdem denunziert er häufig „ausländische Konkurrenten“, dass er so gut wie nie von der Polizei behelligt wird. Auf diese Weise kann er seine ausgegliederte Puffpension, wo es wirklich schlimm zugeht, in aller Ruhe weiterbetreiben. Hier werden die „frischen Mädchen“, fast alle aus der Ukraine, zwischengelagert: „zugeritten“, wie Boulevardjournalisten es gerne nennen. Das ist jedoch Unsinn, es geht eher darum, dass sie so schnell wie möglich unter den Freiern jemanden finden, der sie heiratet. Auch die mit den Puffbesitzern kooperierenden Schlepperringe, denen sich die Frauen in der Mehrzahl anvertrauen, um hierher zu gelangen, behandeln ihre „Ware“ meist korrekt: Sie steht ja bei ihnen in der Kreide und soll das in Deutschland abarbeiten. Nur einmal habe ich in Berlin eine Frau kennengelernt, die gegen ihren Willen verschleppt wurde: eine Tschechin, die in einer Saunabar in der Kantstraße arbeitet. Ein Grieche brachte sie von dort nach Hamburg und sperrte sie ein. Ihr gelang jedoch die Flucht durch ein Toilettenfenster. Anschließend traf sie den Griechen in der Wilmersdorfer Straße wieder, wo sie ihm alle Schimpfworte, die sie kannte, an den Kopf warf. In einigen Edelbordellen in der Lietzenburger Straße arbeiten noch illegal Mädchen aus der Karibik. Wegen der gehobenen Klientel bleiben sie jedoch unbehelligt.

In der „Mazurka-Bar“ verkehrten regelmäßig die Mitarbeiter der Zeitung Super. Ähnlich kalibrierte Kunden hatte bis vor kurzem auch das Edelbordell beim Olympiastadion. Dort verkehrten unter anderem die Betreiber einiger Techno-Clubs aus Mitte. Man übertrieb es jedoch mit dem Kokainkonsum, und irgendwann reichte es der Polizei. Auch bei der „Co-Co Film Bar“ in der Turmstraße, das zwischenzeitlich auch tagsüber geöffnet hatte, hielt sich die Polizei zurück: Sie wollte es sich nicht mit den Juristen verderben, die dort zwischen ihren Verhandlungen im Amtsgericht gegenüber eine schnelle Nummer schoben.

Man muss den auf Billigpuffs abgerichteten Sittenwächtern jedoch in einer Hinsicht Recht geben: dort finden sie immer irgendeine Schweinerei. In den Thai-Transvestitenbars gehört zum Beispiel der Beischlafdiebstahl zur Normalität, und in einigen Neuköllner Bordellen haben fast alle Freier irgendwas auf dem Kerbholz. Lilli Brand

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