Publizist Broder trifft "Bild"-Chef: Lautsprecher unter sich
Für die neue Staffel von "Durch die Nacht mit" zogen Berufsprovokateur Broder und "Bild"-Chefredakteur Diekmann durch Berlin (Donnerstag, 23.40 Uhr, Arte).
Leichter, als sich über Henryk M. Broder zu ärgern, ist nur, sich über Kai Diekmann zu ärgern. Man müsste also annehmen, dass es Donnerstag Abend Grund gibt, mal richtig aus der Haut zu fahren: Broder, laut Pressemitteilung ein "berühmt-berüchtigter Polemiker und Provokateur", und Diekmann, der "umstrittene Chefredakteur der Bild-Zeitung", streunen nämlich für eine Folge der Arte-Reihe "Durch die Nacht mit …" durch Berlin. Und zwei Lautsprecher mit dem Fingerspitzengefühl von Armamputierten sind noch lauter als einer.
Doch es kommt etwas anders; Die Reihe kultiviert auch in dieser Folge einen besonderen Blick. Hasko Baumanns Film ist der erste einer neuen Staffel, für die ein wenig nachjustiert wurde: Verbrachten bislang je zwei Prominente gemeinsam eine Nacht in einer Stadt, wird es nun auch Folgen geben, in denen sie sich dabei einem klar umrissenen Thema zuwenden, etwa der Finanzkrise. Wobei es aber bleibt, ist, dass die Reihe Menschen nicht zwangsläufig so zeigt, wie man sie zu kennen glaubt.
Broder etwa, dem man vorwerfen kann, die Ressentiments, die er zu entlarven vorgibt, bisweilen auch zu bedienen, gewährt hier nebenbei einen Einblick in seine Provokationsmethodik. Er hat ein halbes Dutzend Accessoires mitgebracht, die er einsetzt, um Menschen kurz und gezielt zu verstören. Das Berliner Axel-Springer-Haus etwa, in dem er eine Sicherheitsschleuse passieren muss, betritt er mit einem Namensschild, das ihn als Islamgelehrten ausweist; ein türkisches Internetcafé besucht er mit schwarz-rot-goldener Baseballkappe und ein Westberliner Lokal mit einem marokkanischen Fes. Attacken auf die Gemütlichkeit, nicht unwitzig. Wie überhaupt der ganze Broder nicht unwitzig ist.
Allerdings zeigen diese Szenen auch, und dafür sind die Macher zu loben, wie wenig hinter diesem Karneval steckt. Da Broder seinen Zeitgenossen nun einmal gerne die Folgenlosigkeit symbolischer Aktionen vorhält, würde sich hier die Frage aufdrängen, ob der Einsatz dieser Kopfbedeckungen vielleicht seine Bewerbung für den Friedensnobelpreis sein soll. Leider stellt sie ihm Kai Diekmann (der das Haar übrigens offen trägt) nicht - so wenig wie irgendeine andere interessante Frage.
Diekmann ist vor allem damit beschäftigt, die Angriffsfläche klein zu halten und sich stets windelweich aus der Affäre zu ziehen. Broders Frage etwa, was so berichtenswert an der sexuellen Orientierung einer Fernsehmoderatorin sei, beantwortet Diekmann mit einer Anklage gegen die sogenannten bürgerlichen Zeitungen: Was er "wirklich ekelhaft" finde, sei, wie die sich über die Britney-Spears-Berichterstattung der Bild aufregten, dann aber in ihrer Berichterstattung über die Bild-Berichterstattung kein Detail aus Spears Privatleben zu erwähnen vergäßen. Punkt für ihn. Was so berichtenswert an der sexuellen Orientierung einer Moderatorin ist, weiß man nun aber immer noch nicht. Daher wieder ein Punkt Abzug.
Grund zum Ärgern aber? Och nö. Es ist ja nicht ärgerlich, wenn Broder "erhebliche Zweifel" bekundet, "ob es gut ist, eine Straße nach Rudi Dutschke zu benennen". Zweifel sind gute Sachen und schmücken selbst den allwissenden Broder. Und wie soll man reagieren, wenn Diekmann zum Abschied "Verehrung, tschüss-tschüss" sagt? Wenn er dreimal - oder viermal? - sagt, dass er sich bei einem Treffen mit Hans-Dietrich Genscher ohne Krawatte nicht wohl fühle? Oder wenn er Fleischwurst mit Senf "Pferdepimmel mit Gleitcreme" nennt? Verärgert?
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