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Prunk und Barbarei

■ “Das Gold der Skythen“ aus der Eremitage im Helms-Museum

Bärtig und barbarisch, goldbehangen und kriegerisch, Herren der weiten Steppen hinter dem Schwarzen Meer: die Skythen sind heute für Europa kaum weniger mythisch als zu ihren Lebzeiten vor 2500 Jahren. Beschreibungen des antiken Reiseschriftstellers Herodot geben uns ein gutes Bild von dem antiken Reitervolk, das die Griechen in ihren eigenen Sagen zum Ziel der allerersten See-Expedition machten: Jason und die Argonauten fuhren nach Kolchis, um das goldene Vlies zu holen.

„Wenn ein Skythe seinen ersten Feind erlegt, trinkt er von dessen Blut. Die Köpfe aller, die er in der Schlacht tötet, bringt er dem König.... sie ziehen den Schädeln die Haut ab... aus den Schädeln selber aber machen sie Trinkschalen.“ Die Überlieferung der Griechen ist so wichtig, weil sonst von dem nomadischen Volk, das zeitweilig den ganzen alten Orient beherrschte und auch in der Bibel als heldenhaft und grausam erwähnt wird, nur die Kurgane, ihre gewaltigen Grabstätten übriggeblieben sind. „Sie betten den König im Grab auf ein Lager von Laub und bilden ein Dach aus Weidenflechtwerk. Im übrigen Raum erwürgen sie eine Nebenfrau des Königs und begraben sie, ebenso den Weinschenk, Koch, Stallmeister, Diener, Nachrichtenbringer, Pferde, ferner die Erstlinge allen anderen Viehs und goldene Schalen. Darauf türmen sie einen hohen Grabhügel auf...“

Seit Zar Peter der Große 1716 fremdartige Goldobjekte aus Sibirien geschenkt bekam, sammeln und erforschen die russischen Museen die Kultur der Skythen. Das Zentrum ist die staatliche Eremitage St.Petersburg, die jetzt 165 von ihren 15.000 skythischen Objekten in die Partnerstadt Hamburg geschickt hat. Titel und unmittelbare Faszination dabei ist das Gold, pfundschwer und massiv als Geschirr oder filigran als Applikation an Kleidung, Pferdegeschirr und Waffen. Dazu kommt ein in der Archäologie sonst seltener Glücksfall: auch Stoffe, Leder und Holz blieben gut erhalten, da sie durch die klimatischen Bedingungen im Altai-Gebirge in einer Linse von Dauereis konserviert blieben.

So sind die skythischen Satteldecken und Teppiche die ältesten erhaltenen der Menschheit: Muster zwischen stilisierten Tieren und orientalischem Ornament, entfernte Verwandte der heutigen Perserteppiche. Die kulturellen Einflüsse reichten vom östlichsten Asien bis zur griechischen Klassik. So wurden als ältestes Beispiel textiler Skulptur ein chinesischer halblebensgroßer, mit Moos ausgestopfter Schwan aus Filz ebenso gefunden, wie feinste Goldschmiedearbeit, Kabinettstücke griechischer, realistischer Plastikauffassung, und der Prunkkamm mit bekrönender Figurengruppe aus Reiter, zwei Kämpfern und totem Pferd.

Noch faszinierender sind die Goldblecharbeiten im eigenen „skythischen Tierstil“. Der liegende, sich selbst zum Opfer bietende Hirsch aus der Zeit um 600 vor unserer Zeit aus dem Nordkaukasus ist in seinem ausladenen Geweih schwungvoll stilisiert und und in seinem Körperausdruck von genauester Beobachtung. Diese einzigartige Stilmischung sichert den Skythen einen festen Platz im Pantheon der Weltkunst.

In der Ausstellung in Harburg darf der Besucher sich durch eine Kulisseninszenierung toter, aufgespiesster Reiter zur Pracht der Grabbeigaben durchkämpfen und findet am Ende, sollte er zu ratlos bleiben, im zweiten Stock auch einen Videofilm, der einen zusammenfassenden Überblick über die Kultur der Skythen ermöglicht.

Hajo Schiff

Hamburger Museum für Archäologie - Helms Museum, Hastedtstr. 30-32, HH-Harburg, Di-So 10-17 Uhr; bis 28.November

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