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Prozesse gegen RandaliererHarte Urteile sollen schocken

Der Berliner Innensenator und die Justiz wollen mit drastischen Strafen 1.-Mai-Vandalen und Autobrandstifter abschrecken. Linke und Anwälte kritisieren das als unverhältnismäßig.

Brandstiftern soll mit den Urteilen der Spaß am Zündeln vergehen. Bild: dpa

BERLIN taz | Abschreckung. Das ist offenbar das neue Allheilmittel des Innensenators und der Justiz gegen vermeintliche linke Straftäter. 1.-Mai-Randalierer werden in diesen Tagen vor Gericht so hart bestraft wie selten. Vier festgenommenen mutmaßlichen Autobrandstiftern droht die Justiz hohe Haftstrafen an. Begründung: "generalpräventive Maßnahmen" - also Abschreckung.

Es ist Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der den Ton dabei vorgibt: "Die Berliner Justiz urteilt bei 1.-Mai-Straftätern deutlich strenger. Das ist zu begrüßen." Es müsse klar werden, dass Flaschen- und Steinwürfe keine harmlosen Kavaliersdelikte seien. Er hoffe, so Körting zur taz, dass die Justiz auch bei den gefassten Autobrandstiftern "den Weg der 1.-Mai-Urteile fortsetzt".

Erst vor einer Woche wurde ein 26-Jähriger vor allem deshalb zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt, weil er in der Walpurgnisnacht 12 Flaschen auf Polizisten geworfen hatte. Bereits Ende Juni erhielt ein 30-Jähriger eine Haftstrafe von gut drei Jahren für 17 Stein- und einen Flaschenwurf am 1. Mai. Zuletzt wurde Anfang August ein 27-jähriger Flaschenwerfer zu einer Haftstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt - auch als "deutliches Zeichen an jene, die meinen, sie hätten an diesem Tag einen Freibrief", wie es im Urteil heißt.

ANSCHLÄGE AUF AUTOS

173 Brandanschläge auf Autos zählte die Polizei bisher 2009. 224 Fahrzeuge wurden direkt angegriffen, 43 zusätzlich durch überschlagende Flammen beschädigt. Im gesamten Vorjahr gab es nur 73 Brandattacken. Seit 2005 brannten damit mehr als 1.000 Autos in Berlin.

Gleiches droht nun den 11 bisher gefassten Autobrandstiftern, von denen 4 in U-Haft sitzen. Im Fall der 21-jährigen Alexandra R. wird diese mit Fluchtgefahr begründet angesichts einer zu erwartenden "mehrjährigen Freiheitsstrafe". Im Haftbefehl heißt es: Die Häufung der Brandstiftungen mache "aus generalpräventiven Gründen im Falle einer Verurteilung die Verhängung einer abschreckenden Wirkung bedingenden hohen Freiheitsstrafe erforderlich". Die "gravierende Straferwartung" sei "aus der hohen Sozialschädlichkeit und des beabsichtigten hohen Schadens der Tat" gegeben.

Als Abschaffung der Unschuldsvermutung und "Einführung des Feindstrafrechts" kritisiert dies die zur Unterstützung von Alexandra R. gegründete "Soligruppe Alex". "Die Polizei kriegt die Brandstiftungen nicht in den Griff und sucht nach Sündenböcken", beschwert sich Patrick Technau von der Soligruppe. Es gehe darum, "mit juristisch zweifelhaften Festnahmen Ergebnisse zu präsentieren".

Von einer "extremen Vorverurteilung" spricht auch die "Berliner Anti Nato Gruppe", in der Alexandra R. Mitglied ist. "Nach Lage der Dinge schätzen wir die Chancen von Alexandra für einen unvoreingenommenen Prozess als sehr schlecht ein", heißt es in einem Schreiben.

Auch Martina Arndt, Anwältin von R., kritisiert das Vorgehen gegen ihre Mandantin als "unverhältnismäßig". "Es gibt nur Indizien, keine Beweise", so Arndt. Weder seien Rückstände von Brandbeschleunigern an R.s Kleidung gefunden worden noch ihre DNA-Spuren am Tatort. Alles beruhe auf der Aussage eines Polizisten, der die 21-Jährige in Tatortnähe gesehen haben will.

Auch das wichtigste Indiz der Anklage weist Arndt zurück: Die Polizei hatte einen Sprühdosenkopf in der Wohnung von Alexandra R. gefunden - passend zu am Tatort aufgefundene Sprühdosen. Ein Gutachten habe keine Hinweise gefunden, dass der Sprühkopf je mit den anderen Dosen verbunden war, so Arndt. "Ich werde in jedem Fall auf Freispruch verteidigen."

Auch Klaus Rogall, Professor für Strafrecht an der Freien Universität, sieht die Begründung einer U-Haft mit einem zu erwartenden hohen, weil "generalpräventiven" Urteil, als "problematisch". "Auch für eine Person in Untersuchungshaft gilt die Unschuldsvermutung", so Rogall.

Eine Strafzumessung dürfe erst am Prozessende nach erwiesener Schuld erfolgen - und nicht bereits zuvor. Dennoch werde das Vorgehen der Berliner Justiz "von der juristisch herrschenden Meinung akzeptiert". Kritikwürdig sei aber die lange Dauer der U-Haft von R. "Nach drei Monaten sollte man allmählich zu Potte kommen", so Rogall.

Innensenator Körting setzt dennoch auf hohe Haftstrafen für die Autobrandstifter -"im Rahmen des Strafgesetzes". Im Fall der 1.-Mai-Prozesse seien die nun ergangenen, teils harten Urteile "hervorragende Propaganda" gegen mögliche Krawallmacher im nächsten Jahr, so Körting.

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14 Kommentare

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  • W
    Wolf

    ich halte das für quatsch. die strafen sind völlig unverhältnismässig 12 steine heisst 12 mal schwere körperverletzung? und was passiert dann? will man allen ernstes junge leute in den knast stecken weil sie ein auto angefackelt haben? diese entscheidung wird viel zu einfach gefällt. wenn diese kurzsichtigen menschen ins gefängnis müssen ist doch für niemanden der sich hier auskotzt was getan. das einzige ergebnis ist das sie im gefängis gewalt erleben, ggf vergewaltigt werden oder schlimmeres und danach durch diese "ausbildung" völlig gesellschaftsunfähig sein. es kann einfach nicht euer ernst sein das ihr denkt das der knast in den man einen anfang 20 jährigen steckt IRGENDETWAS positives bewirkt. alles was er schafft sind stark sozial gestörte indiviuuen und dann brüllt ihr wieder nach härteren strafen weil sie nicht mehr zurecht kommen nachdem man ihnen in reaktion auf eine dummheit, die nur geld kostete (autos abfackeln) das leben und sämtliche zukunftvorraussichten zerstört und sie somit noch antikonventioneller gemacht hat. ich finde euer gegiere nach abschreckungsstrafen schier ekelhaft. ihr seit auch nicht ohne schuld, was meint ihr was 3 jahre im gefängis euch mittelstand persönchen antun würde? knast zerstört das leben dieser menschen. es ist mir unbegreiflich wie man darauf pochen kann das das richtig ist.

  • S
    SMT

    @Alinho: Tut mir leid, wusste nicht das das unterschieden wird, ich war der meinung brandstiftung bezöge sich nur auf gebäude u.ä.

  • H
    Horst

    Jeder Mensch hat solange als unschuldig behandelt zu werden, bis ihm das Gegenteil bewiesen wird. Vielleicht haben einige schon vergessen, warum dieses Menschenrecht mal eingeführt wurde...

  • A
    Alinho

    @SMT:

     

    § 306 Brandstiftung

    (1) Wer fremde

    1.Gebäude oder Hütten,

    2.Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,

    3.Warenlager oder -vorräte,

    4.Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,

    5.Wälder, Heiden oder Moore oder

    6.land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse

    in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

    (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

     

     

    Wenn schon Paragraphen, dann die richtigen ;-)

  • P
    Peter

    Harte Strafe? Ein paar Monate Gefängnis und dann die Reststrafe auf Bewährung, so sieht das aus! Die Leute haben mit Tötungsabsicht Steine, Flaschen oder sogar Molotowcocktails auf Polizisten geworfen. Sind Polizisten vielleicht Freiwild oder eine anonyme Masse die man dezimieren darf? Ich denke dass zumindest die Krawalltouristen, die nur den Kick suchen damit abgeschreckt werden. Die richtigen Schwerverbrecher wird man auch mit hoher Strafandrohung nicht erreichen.

  • F
    fackel

    zu "blick"

    Wer die Verletzungen oder mehr bei seinen Handlungen in Kauf nimmt, muß mit solchen Strafen rechnen; sehr gut so! Für mich sind Flaschenwerfer und Abfackler auch keine "Linke", sondern Leute, die mit sich nicht klarkommen, weinerlich dauernd anderen die Schuld für ihre Scheiße zuschieben und ihren Frust an der Polizei oder vermeintlichen "Naziautos" (woran erkennt man die denn bloß? Freunden von mir ist ihr ganzer Hausstand im Auto gelager 2abgefackelt" worden, und das waren und sind bestimmt keine Nazis!) ablassen und sich als Widerstandskämpfer fühlen dürfen (bis ihr Hartz IV -Geld abholen...)

  • S
    SMT

    $303 Sachbeschädigung

    (1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit freiheitsstrafe bis zu zwei jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

     

    Wie kommt die Justiz da eigendlich auf "mehrjährige" Haftstrafen? sollten es nicht maximal zwei Jahre sein? Oder wird das mit dem label "Terrorismus" versehen was gleich lebenslang rechtfertigt? aber stimmt, das sind ja (vielleicht) "scheis linke" da müssen wir hart durchgreifen!

     

    Zu den (angeblichen) 12 Flaschenwürfen: Wie zur hölle soll das aussehen? ein typ der mit einem leeren kasten bier an der ecke steht und über den halben kasten nach bullen wirft? oder hatte der die alle im rucksack? oder hat er immer nur eine eingesammelt und die geworfen und die bullen haben so lange gewartet bis er genug geworfen hatte? DAS klingt arg konstruiert und ist noch nicht einmal ansatzweise glaubwürdig.

     

    Da werden einzelne menschen stellvertretend für andere angeklagt und verknackt weil sie zur falschen zeit am falschen ort waren. EINEN flaschenwurf aus einer menge herraus einer person zuzuordnen ist schon schwer, aber 12 würfe einer person zuzuordnen ist schlicht und ergreifend gelogen.

  • F
    frosch

    Es ist erschreckend!

    Wegen eines angezündeten Autos mehrere Jahre in den Knast!? Sollen sie doch das Auto, den Feuerwehreinsatz und weitere Schäden bezahlen und dann ist gut - daran hätten sie ja auch schon eine Menge zu knabbern!

    Viele Jugendliche machen sowas nur aus Dummheit und bereuen das später sehr. Denen wird doch das ganze Leben versaut, wenn sie für ein paar Jahre in den Bau müssen! Und schließlich sind das nur Gegenstände!

     

    Steinewerfen ist schon was anderes. Allerdings kann es nicht sein, dass jemand, der einen Stein (auf mit Helmen und sonstwas ausstaffierte Polizisten) geworfen hat, genauso hart bestraft wird wie z.B. jemand, der wissentlich fahrlässig das Leben vieler Menschen riskiert, die völlig ungeschützt sind (Baumängel, Atommülllagerung, CO2 in den Boden einpressen etc.).

     

    Das sind doch eindeutig politische Urteile - das hatten wir doch schonmal, da sollten wir doch weiter sein!

  • G
    Guapito

    Es ist alles wie immer: die "unten" werden gehängt, die "oben" lässt man laufen (zum Beispiel die Saubermänner Kohl, Ackermann, Zumwinkel usw.)! So erreicht dieser Staat, der in der Liste der demokratischen Länder immer weiter zurückfällt nur Eines: mehr Ablehnung, mehr Gewalt, mehr Hass!

  • F
    Fritze

    Die armen Steinewerfer und Autoabfackler! Das ist ja voll fies, dass man nicht mal mehr ungestraft unschuldige Menschen mit Wurfgeschossen angreifen und ihre Besitztümer kaputtmachen kann! Wo das doch unbedingt notwendig ist für die Weltrevolution und so.

     

    Lasst uns doch mal sehen, ob sich die Mittelstandsrotzgören und Ar...proleten nicht von ein paar knackigen Haftstrafen von ihrem Ersatz-Abenteuerchen abbringen lassen. Ich bin zuversichtlich, dass das klappt. Jedenfalls für die angekündigten 1-4 Jahre, was ja schon ein hübscher Erfolg wäre, auch wenn das mit der Generalpräventation nicht klappt.

  • GV
    Gewalten, vereinigt euch

    "Innensenator Körting setzt dennoch auf hohe Haftstrafen für die Autobrandstifter [...]" Wie bitte? Die Legislative setzt dennoch auf Strafmaße, die politisch angemessen sind? Ich frag mich was all diese Menschen treibt. Die Politiker die sowas vor einer großen Wahl äußern und die die sie dann auch noch wählen. Wie schlimm steht es um die Gewaltenteilung, wenn sie nicht einmal mehr offiziell gewahrt wird?

  • B
    blick

    Interessant wäre auch, ob die zu Haftstrafen verurteilten Personen bisher bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten sind - denn auch dies führt in der Rechtspraxis regelmäßig zu einem "Strafzuschlag".

     

    Im Übrigen sind 12 Flaschenwürfe und damit 12 versuchte oder vollendete gefährliche Körperverletzungen durchaus kein Pappenstil. Es wirft ein nicht ganz strahlendes Licht auf den Artikel, dass Gewalt gegen Personen und Gewalt gegen Sachen beinahe gleich gewichtet wird.

  • F
    FMH

    Da zeigt sich doch einmal wieder das wahre Gesicht unserer Staatsmaschinerie: Polizei, Staatsanwaltschaft und Politik arbeiten wie eine Behörde um ihre Prfünde zu schützen.

    Um zu Verhindern, dass französische Verhältnisse eintreten, schnappt man sich den nächsten Passanten und knüpft ihn zur Warnung aller an den dräuenden Mauern auf.

    So viel zur Gewaltenteilung.

  • M
    max

    es ist immer wieder der selbe unsinn. jenseits von vorverurteilungen, feindstrafrecht und abschaffung der unschuldsvermutung ist es der ruf nach härteren, ja härtesten strafen, die wieder einmal das allheilmittel sein sollen, der aufhorchen lässt.

    Wie sagte volker pispers zum thema harte strafen so schön: "die todesstrafe schreckt unheimlich ab, deswegen haben die usa auch so friedliche vorstädte:"