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ProzessWegen HIV während der Probezeit rausgeschmissen

Ein HIV-Positiver klagt, da er sich nach seiner Kündigung diskriminiert fühlt. Das Gericht vertagt die Entscheidung zunächst.

Ist Aids eine anzuerkennende Behinderung? Diese Frag muss das Gericht entscheiden. Bild: DAPD

Das Arbeitsgericht Berlin hat am Donnerstag vorerst keine Rechtsgeschichte geschrieben. Es hatte über die Klage des 24-jährigen Chemielaboranten Sebastian F. zu entscheiden, dem von seinem Arbeitgeber zwar während der Probezeit fristlos gekündigt worden war - wegen seiner HIV-Infektion. "Es geht daher um die Frage, ob HIV unter das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz fällt", sagt sein Anwalt Jörg-André Harnisch. Laut diesem Gesetz darf niemand wegen einer Behinderung benachteiligt, also auch nicht gekündigt werden - auch nicht während der Probezeit. Das Gericht müsste dazu aber zunächst die Immunschwäche von F. als Behinderung anerkennen. Ein Novum in der deutschen Rechtssprechung.

"Die Frage nach der Behinderung ist nicht leicht", gestand die Vorsitzende Richterin zu Beginn der Verhandlung. Immerhin mache der 2009 am Immunschwäche-Virus erkrankte F. augenscheinlich einen gesunden Eindruck. In der Praxis wird HIV allerdings bereits seit Jahren als Behinderung anerkannt. Laut der Versorgungsmedizin-Verordnung gilt eine HIV-Infektion auch dann als zehnprozentige Behinderung, wenn noch keine klinischen Symptome auftreten. Dies nutzen die Versorgungsämter täglich bei Fragen der sozialen Sicherung, der individuellen Entschädigung besonders Betroffener und bei Schwerbehindertenangelegenheiten.

Die Gegenseite argumentiert dagegen, dass man F. zum Wohle der eigenen Kunden hätte kündigen müssen. Die Gefahr einer Ansteckung sei nie gänzlich auszuschließen und könnte gerade bei immunschwachen Patienten tödlich enden.

Sebastian F., der seinen richtigen Namen aus Angst vor weiterer Diskriminierung nicht nennen will, hatte im Januar die Stelle beim Berliner Medikamentenhersteller Eckert und Ziegler Euro-Pet GmbH angenommen. Dort sei er in der Qualitätskontrolle tätig gewesen und hätte nie Kontakt mit Produkten gehabt, die an Kunden herausgingen. Die Medikamente, die er geprüft habe, seien anschließend vernichtet worden, erklärte sein Anwalt.

"Ich fühle mich ungerecht behandelt und ausgegrenzt", sagte Sebastian F. Genau deshalb gehe es ihm gerade nicht um eine Abfindung - sein früherer Arbeitgeber bietet ihm ein Monatsgehalt an. "Ich halte ihn für einen wahnsinnig mutigen jungen Mann", sagte daher Eva Egenberger vom Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung, die F. bei seinem Fall unterstützt. Ebenso wie Silke Eggers von der Deutschen Aids Hilfe, die weiß, dass es hierbei "um irrationale Ängste von Nichtbetroffenen" geht.

Angesichts der schwierigen Materie versuchte die Richterin die Parteien zu einer außergerichtlichen Einigung zu bewegen, indem sie vorschlug, die Entschädigung auf drei bis vier Monatsgehälter zu erhöhen. Doch das lehnte der Kläger ab. Am Ende vertagten die Richter ihr Urteil und die Chance auf eine historische Entscheidung.

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9 Kommentare

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  • AK
    Adam Kaulborg

    HIV wird hauptsächlich durch sexuelle Kontakte übertragen. Eine Ansteckungsgefahr lässt sich kaum begründen, da zu Sebastians Tätigkeit bei dem Unternehmen mit Sicherheit nicht Analsex gehörte, schon garnicht mit Kunden des Unternehmens.

     

    Ganz im Gegenteil, Sebastian wird von seinem Arbeitgeber, anschließend vom Arbeitsgericht und dann vielleicht noch vom restlichen Arbeitsmarkt im Stich gelassen. Er ist doch kein Chirurg, Pornodarsteller, nichtmal Metzger, dass es einen Grund zur Besorgnis gäbe.

  • P
    Patrick

    Leider hatte die Richterin, welche ja in der ersten Instanz ganz weit unten sitzt, nicht den Mut. :(

     

    aktuelles Urteil in erster Instanz:

    Klage ist abgewiesen!

  • C
    Chris

    Hier wird Zukunft verspielt. Im Rahmen der Globalisierung und Dynamisierung der Arbeitsmärkte im Kontext zum aktuellen Fall wäre der Mut der Richterin hier ein Amerikanisches Urteil zu fällen wünschenswert. Wiedereinstellung und Weiterbeschäftung oder eine Abfindung, die der Lebenserwartung und damit Beschäftigungserwartung entspricht. Man kann, wenn der Klient noch keine opportunischten Erkrankungen hatte, unter ständiger Kontrolle davon ausgehen mit einer HAART, dass er 25 Jahre hätte dort arbeiten können. Vielleicht sogar länger!! - In Südafrika bezahlen VW und Mercedes den Angestellten sogar die Medikamente!! Nur weil eine neue Ausbildung eines Ersatzmitarbeiters z. B. ING etc. viel zu kostenaufwendig wäre. Verschärfend kommt hinzu, dass wenn der Klient im ALG-II landet, er die Abfindung auch noch angerechnet bekommt.

    - Frau Richterin, wir bitten um Ihren MUT -

  • P
    Patrick

    erstaunlich das es auch hier unqualifizierte Kommentare gibt (@enzoaduro), soviel unwissenheit (um es nett zu formulieren) tut echt weh und man könnte sich drüber tot lachen, wäre es nicht so schockierend.

     

    aber das recht wird siegen, auch wenn es ein langer weg werden wird.

  • S
    Sebastian

    @Enzo

     

    Aber wie soll er denn bitteschön jemanden anstecken?

     

    Hat er ungeschützten Geschlechtsverkehr mit den Kunden? Oder wie soll das gehen?

     

    Wer auf das "Recht auf Nichtansteckung" pocht, der solle doch bitte sich zuhause in einen Bunker einschliessen und niemals mehr das Haus verlassen.

     

    Menschen mit Infektionskrankheiten jeglicher Art begegnen heutzutage einem überall. In der U-Bahn, in Geschäften- überall im alltäglichen Leben.

     

    Das gehört nunmal zum Leben dazu. Es kommst halt immer wieder drauf an, wie ich mich selber "schütze".

     

    Und nochmal die Frage: WIE SOLL SICH EINER DER KUNDEN DIESER FIRMA MIT HIV ANSTECKEN????

  • T
    Thomas

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    ... zum Wohle der eigenen Kunden kündigen müsse ...

    Wie bitte? Eine Medikamentenfirma kommt mit einer solchen Erklärung daher? Was ist das für eine Firma die so wenig über HIV weiß daß sie einen solchen Blödsinn als Grund der Kündigung angibt.

    Ich kann dem jungen Mann nur alles Gute und viel Kraft wünschen. Er soll weitermachen und sich nicht abspeisen lassen. Ich verstehe auch die Richterin nicht. Bei den Versorgungsämtern ist HIV ein klarer Behinderungsfall.

  • S
    Sebastian

    Ich frage mich, ob man bei soviel Unwissenheit bezüglich HIV, Ansteckung etc. nicht lieber mal den Arbeitgeber "durchleuchtet".

     

    Wer soviel Blödsinn von sich gibt, sollte selber keine medizinischen Produkte vertreiben dürfen.

     

    Wie bitteschön soll ein HIV-infizierter Mitarbeiter die Konsumenten der Medikamente gefährden??? Dazu müsste er sich schon in den Finger schneiden und Blut auf das Produkt tröpfeln lassen. Abgesehen davon, dass er das niemals tun würde, wäre selbst dann eine Infektion ausgeschlossen.

     

    Ich bin grad wirklich schockiert mit welch fadenscheiniger Begründung man den Mitarbeiter vor die Tür setzen will.

  • E
    EnzoAduro

    Selbstverständlich kann eine HIV Infektion ein Kündigungsgrund sein, wenn die Gefahr besteht das Kunden sich anstecken.

     

    Ob er nur in der Qualitätskontrolle gearbeitet hat oder ob das eine falsche Darstellung ist sei dahingestellt. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen das er nie aus seinem "Kontrollkeller" rauskommt.

     

    Das Recht auf Nichtansteckung wiegt ungleich mehr als das Recht auf "Nichtdiekriminierung". Das AGG hier zu verwenden finde ich etwas seltsam. Das ist nicht das selbe wie Schwarz, Frau oder Querschnitsgelämt sein.

  • AL
    ana li

    Schade, dass man mit einer HIV-Infektion immer noch nicht offen umgehen kann.

    Und durch die Heimlichtuerei wiederum kann die Spirale der irrationalen Ängste nicht durchbrochen werden.

    Im Grunde würde ein massenhaftes Coming-Out helfen.

    Auch natürlich eine Klarstellung der Gerichte, dass eine HIV-Infektion kein Entlassungsgrund sein darf.